Natürlich hätte man der empfindsamen Prinzessin aus dem bekannten Märchen auch einfach Schlafmittel verabreichen können. Doch das Problem lag bekanntlich viel tiefer – unter mehreren Matratzen.
Und sie hatte auch nur dieses eine Problem. Bei einer älteren Königin hätte sich die Suche nach der Erbse, also dem Auslöser, sicherlich schwieriger gestalten können. Denn ältere Menschen leiden, nicht nur statistisch gesehen, oft gleich unter mehreren Krankheiten und es ist sinnvoll, neben den körperlichen Krankheiten auch das gesamte psychische und soziale Umfeld zu betrachten.
Denn was nützt es, wenn der Arzt beim berüchtigten Oberschenkelhalsbruch vornehmlich älterer Frauen nur auf die Röntgenbilder schaut und mit dem Heilungsverlauf zufrieden ist, wenn die Patientin beispielsweise wegen ihrer Kreislaufsituation oder einer beginnenden Demenz zuhause vermutlich bald schon wieder einen Unfall haben wird?
So paradox das klingt: Die Wissenschaft für das (alt)bekannte Thema der Krankheiten im Alter ist relativ jung: Die Geriatrie wurde erst 1914 erstmals so bezeichnet.
Im Warendorfer Josephs-Hospital ist sie ebenfalls noch jung, hat aber eine sichere Zukunft, die den alternden Patienten der Region nunmehr eine noch größere Sicherheit gibt, hier heimatnah gut und richtig aufgehoben zu sein: Seit dem 1. Januar 2022 ist das Department Geriatrie unter der ärztlichen Leitung von Dr. Peter Schürmann und Oberarzt Stefan Rinschen fester Bestandteil der Inneren Abteilung.
„Gerade bei Menschen über ungefähr 70 Jahren sieht man immer wieder gewisse alterstypische Erkrankungen, wie beispielsweise Schwindel, Osteoporose oder Gangstörungen“, sagt Dr. Peter Schürmann, schränkt aber sofort ein: „Es gibt natürlich auch den 90-jährigen, der auf Berge kraxelt und rundum fit ist.“ Und die gehören so sicher nicht zu seinen Patienten.
Die kommen in geschätzt 20 Prozent der Fälle über den Hausarzt zu ihm. Auch andere Krankenhäuser überweisen zur Warendorfer Geriatrie, die sich mittelfristig in diesem Fachbereich als regionaler Versorger für die altersgerechte Behandlung unterschiedlichster Krankheitsbilder etablieren wird. Dr. Schürmann nennt im Gespräch, an dem Oberarzt Stefan Rinschen aus Termingründen nicht teilnehmen kann, Krankheiten der Inneren Medizin, Neurologische Erkrankungen wie Parkinson, frühe Reha- und Behandlungsmaßnahmen nach Schlaganfall, und beispielsweise auch alle Frakturen. Immer in Zusammenarbeit mit Ärzten der betreffenden Fachrichtungen.
Nach der Aufnahme erfolgt stets eine umfassende Beleuchtung der Gesamtsituation mit verschiedenen Standardtests zur körperlichen und geistigen Verfassung. Darüber hinaus werden Stimmungslagen wie Lebensmut, Lebenssinnfragen, Depressionen und auch die Situation des sozialen Umfelds erfasst.
Für die Behandlung der Patientinnen und Patienten steht ein großes Team bereit, denn die Geriatrie berührt viele Lebensbereiche. „Das kann keiner allein“, betont Dr. Schürmann. Physio-, Ergo-, Logo- und Psychotherapeuten zählt er auf, dazu den sozialen Dienst. Einmal pro Woche gibt es eine Teamsitzung, in der alle Aspekte zusammengetragen und besprochen werden, so dass die Situation jedes Patienten aus Sicht aller mitarbeitenden Fachrichtungen umfassend beleuchtet wird. Dabei ist den Ärzten wichtig, auch die Angehörigen mit einzubeziehen. Sowohl was die Situation der Patienten im Allgemeinen betrifft, sondern auch die Frage, wie es weitergehen soll und wird. Der Soziale Dienst kann sehr gut bezüglich der Pflegestufen beraten und die spätere häusliche Versorgung muss sichergestellt sein. „Es wird keiner in eine Unterversorgung entlassen“, betont Dr. Schürmann. Zwar könne ein großer Teil der Patienten wieder nach Hause, aber oft stellt sich beispielsweise auch die Frage nach weiterer Reha.
Die durchschnittliche Dauer der Behandlung liegt bei 15 Tagen, wobei 14 Tage bereits das Minimum darstellt. Die Patienten sollen dabei solange wie möglich nicht in die Betten verbannt werden, denn die aktive, lebendige Mitarbeit sowie die sozialen Kontakte mit anderen Patientinnen und Patienten sind ein wichtiger Bestandteil der Motivation.
Die eingangs durchgeführten standardisierten Tests werden am Ende der Behandlung wiederholt „und sehr oft sieht man schöne Erfolge“, freut sich der Facharzt. Natürlich wird sowohl zu Beginn Auch die Frage Pflegebedürftigkeit wird sowohl zu Beginn wie auch am Ende der Behandlung gemessen, denn die erste Frage von Patienten und Angehörigen laute meist: „Wie geht es denn weiter?“
Damit die Antwort darauf „Am liebsten gut!“ lauten kann, ist es so wichtig, dass eine geriatrische Komplexbehandlung nicht nur das eingangs genannte Schlafproblem der Prinzessin löst und eine Erbse findet. Eine gute Diagnostik und Therapie können mitunter sogar erreichen, dass die Erbse gar nicht mehr stört.
Das Team der Geriatrie im Warendorfer Josephs-Hospital beleuchtet die Situation älterer Patientinnen und Patienten aus vielen verschiedenen Blickwinkeln (Foto: Josephs-Hospital)