Münsterland/Emscher-Lippe-Region. – Die IHK Nord Westfalen drängt weiter auf „eine wirtschaftspolitische Zeitenwende zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit“. In einem Positionspapier, das die Vollversammlung heute (14. März) während ihrer Sitzung in Gelsenkirchen beschlossen hat, fordern die gewählten Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Münsterland und aus der Emscher-Lippe-Region, mit Nachdruck „neue strukturelle Impulse, damit unsere Wirtschaft wieder wächst“.
Das Positionspapier, das fünf „zentrale Handlungsfelder für mehr Produktivität“ umfasst und an Politik und Verwaltung versandt wird, ist von Mitgliedern der Vollversammlung in einem Workshop erarbeitet und anschließend auf der öffentlichen Beteiligungsplattform der IHK online zur Diskussion gestellt worden. „Gerade jetzt kommt es auf die Einbindung von Unternehmen in die Debatten von Politik und Verwaltung an“, betonte IHK-Präsident Dr. Benedikt Hüffer. Nur so könnten die wirtschaftlichen Problemlagen authentisch erfasst und entsprechende Gegenmaßnahmen mit der notwendigen Priorisierung beispielsweise bei Investitionen eingeleitet werden.
„Die Politik muss neue Prioritäten setzen“, heißt auch gleich im ersten Kapitel des IHK-Papiers, in dem die Unternehmen aufzeigen, wie Investitionsbremsen gelöst und die Kapitalbeschaffungen erleichtert werden könnten. Dass die Infrastruktur zum Teil marode sei, liege nicht daran, dass der Staat ein Einnahmeproblem habe: „Vielmehr haben wir es mit einem Ausgabenstrukturproblem zu tun“, stellen die Unternehmen klar. Investitionen in die Infrastruktur müssten „mindestens ein ähnliches Niveau wie in anderen Industrieländern erreichen“. Zudem werde die aktuelle Geschwindigkeit bei der Erneuerung und dem Ausbau den Anforderungen der Wirtschaft „nicht ansatzweise gerecht“.
Um vorhandenes Kapital zu aktivieren, müssten Politik und Verwaltung „herausragende Investitionsbedingungen am Standort Deutschland schaffen“. Die nominale Steuerbelastung, so eine Forderung, soll unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens von derzeit rund 30 Prozent „auf ein wettbewerbsfähiges Niveau“ gesenkt werden. In anderen Industriestaaten liege die Belastung nicht höher als 25 Prozent, im EU-Durchschnitt deutlich darunter.
Der Fachkräftemangel soll nach den Vorstellungen der IHK durch verschiedene Maßnahmen gemildert werden. Etwa, indem alle Jugendlichen bereits in der Schule die grundlegenden schulischen Kompetenzen erwerben, die für den Start in eine betriebliche Ausbildung benötigt werden. Angesichts eines prognostizierten Rückgangs an Arbeitskräften im IHK-Bezirk um 24 Prozent in den nächsten zehn Jahren sehen die Unternehmen Potenzial bei den 94.000 Arbeitslosen sowie den Teilzeitbeschäftigten. Fast jeder dritte Erwerbstätige im IHK-Bezirk Nord Westfalen hat keinen Vollzeitjob. „Entscheidend für die Produktivität der Gesellschaft ist die Bereitschaft, Leistung zu erbringen“, heißt es in dem IHK-Positionspapier. Eine entsprechende Haltung solle durch Politik und Regierung „gefördert und eingefordert werden“. Steuerfreiheit für Überstunden und bei Berufstätigkeit nach Erreichen des Renteneintrittsalters könnten nach Meinung der Unternehmen Signalwirkung haben.
Vereinfachungen über die aktuellen rechtlichen Änderungen hinaus fordern die Unternehmen bei der Fachkräfteeinwanderung: „Unternehmen könnten zum Beispiel selbst entscheiden, wer ausreichend qualifiziert ist.“ Menschen mit Berufserfahrung und einem Arbeitsvertrag sollten schon bei einem Jahreseinkommen von 36.000 Euro nach Deutschland kommen können.
In weiteren Kapiteln zeigen die Unternehmen auf, wie nach ihren Vorstellungen ein attraktives Umfeld für Innovationen aussehen muss, wie die Infrastruktur wieder leistungsfähig wird und warum wirtschaftliche Entwicklung ein ausreichendes Angebot an Industrie- und Gewerbeflächen benötigt.
„Besonderen Wert“, so IHK-Präsident Dr. Benedikt Hüffer, legen die Unternehmen auf das fünfte Kapitel, das sich dem Bürokratieabbau widmet. Für Hüffer ist das nicht verwunderlich, denn: „Die Grenzen der Belastbarkeit für die Wirtschaft sind erreicht“, heißt es in der Beschreibung der Problemlage. Auch bei der daraus resultierenden Forderung scheint die Verzweiflung vieler Unternehmen mitzuschwingen: „Schon eine selbst verordnete Atempause für neue Ideen und staatliche Regelungswut sowie die ernsthafte Bereitschaft, sich einer Aufgabenkritik zu unterziehen, würden wichtige Signale an die Unternehmen senden“, heißt es in dem IHK-Positionspapier. Konkret wollen die Unternehmen nicht mehr als der Nationale Normenkontrollrat. Der forderte, dass für jede neue Regel zwei alte wegfallen sollten. Letztendlich, das unterstreichen die Unternehmen in ihrem Papier, komme es jedoch nicht auf die Zahl der Regeln an, sondern darauf, wie hoch die tatsächliche Entlastungswirkung ausfalle.
Dr. Benedikt Hüffer, Präsident der IHK Nord Westfalen
Foto: Mensing/IHK Nord Westfalen