In diesem Jahr feiert die Stadt Telgte das 30. Jubiläum der Gleichstellung. Am 17. Oktober 1994 nahm die erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Anita Eschmann, ihr Amt als Gleichstellungsbeauftragte auf. Sie war bereits 36 Jahre bei der Stadtverwaltung tätig und zu dieser Zeit Leiterin der Stadtkasse. Dies war eine Folge der neuen Kommunalverfassung. Durch § 5 Abs. 2 der Gemeindeordnung wurde nun geregelt, dass Kommunen ab 10.000 Einwohnern die Verpflichtung haben, eine Gleichstellungsbeauftragte einzusetzen. Dies ist nun 30 Jahre her.
Zum Jubiläum lud die jetzige Gleichstellungsbeauftragte Dr. Stefanie Reitzig die ehemaligen Gleichstellungsbeauftragten und ihre Stellvertreterinnen ins Rathaus ein. Mit dabei waren Liesel Noebel, die von 1997 bis 2001 erstmals hauptamtlich tätige Gleichstellungsbeauftragte sowie ihre Stellvertreterin Simone Thieringer, Gaby Fartmann (2001 bis 2005), Tanja Schnur (2005 bis 2011), Eugenia Schmidt (2011 – 2014), Martina Wiedeler (2017-2020) und die beiden aktuellen Stellvertreterinnen Jenni Vogel und Regina Bußmann. Weitere Gleichstellungsbeauftragte waren Sabine Saxlehner (2014 – 2017) und Kada Malaj (2020-2023).
In gemeinsamer Runde reflektierten die Frauen mit Bürgermeister Wolfgang Pieper über die Vergangenheit und wagten einen Blick in die Zukunft. „Damals wurden Frauenthemen zunächst noch belächelt“ erinnert sich Liesel Noebel. Durch ihre Erzählungen wurde jedoch deutlich, dass sie Skeptiker bald überzeugte, das Vorgehen gegen Benachteiligungen ernst zu nehmen. Meilensteine der Gleichstellungsarbeit sind z.B. die von Noebel initiierten Frauenstadtgespräche – eine Vortragsreihe mit der VHS, die über Themen von Work-Life-Balance über Gesundheit bis hin zu Erziehung und Rollenmodellen alles umfasst. Ein weiterer Meilenstein war die Gründung des Arbeitskreises „Wir Frauen in Telgte“ in 2001 durch Gaby Fartmann. „Durch den Arbeitskreis hatten wir erstmals einen aktiven Kreis an Frauen, der sich für die Themen einsetzte“ erzählt Fartmann. Der Arbeitskreis ist auch heute noch aktiv und organisiert gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten Veranstaltungen wie z.B. das Internationale Frauenfest. „Für mich war das Internationale Frauenfest immer ein Highlight“, erinnert sich Tanja Schnur aus ihrer Amtszeit und erzählt von den interkulturellen, bunten Festen mit großem Buffet und Tanzeinlagen. In diesem Jahr wurde bereits das 9. Internationale Frauenfest gefeiert. Martina Wiedeler macht auf die interne Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten aufmerksam: „Ich habe schon so viele Bewerbungsverfahren von der Pike auf begleitet und so manche Sitzungsvorlage gelesen“. Auch Beratungsgespräche gehören zum Arbeitsfeld der Gleichstellungsbeauftragten.
In dem Motto „Einmal Gleichstellungsbeauftragte, immer Gleichstellungsbeauftragte“ konnten sich schließlich alle Gleichstellungsbeauftragten wiedererkennen. „Wenn man einmal die Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen in der Gesellschaft erkennt, dann kann man dies nicht mehr ablegen“ sagt Eugenia Schmidt. „Und heutzutage sind davon auch immer stärker Männer betroffen, die gleichberechtigt Vater sein möchten und ihre Berufswahl ebenfalls diskriminierungsfrei treffen möchten wie Frauen“ sagt Reitzig. In der Gegenwart hat sich die Themenvielfalt der Gleichstellungsarbeit stark erweitert, während aber die Basisthemen von Lohn- und Rentenlücken, ungleicher Bezahlung zum Nachteil der Frauen sowie Gewaltbetroffenheit, hohe Last von Sorgearbeit und unsichtbarer Koordinationsarbeit, genannt Mental Load, weiterhin bleiben.
Mit Blick auf die anti-demokratischen Strömungen und Retraditionalisierungstendenzen machen sich die Gleichstellungsbeauftragten Sorgen um die erkämpften und gefestigten Rechte der Frauen. Die Tradwives-Bewegung aus den USA ist ein Beispiel. Hier vermitteln altmodisch gekleidete, junge Hausfrauen jungen Mädchen auch aus Deutschland auf den Social-Media-Kanälen ein veraltetes Rollenbild. „In Amerika haben 45% der Frauen ihre Rechte abgewählt und die Folgen werden für Frauen auf der ganz Welt spürbar sein“, sind sich die Gleichstellungsbeauftragten und der Bürgermeister einig. So ist es umso wichtiger, dass Frauen von ihren Rechten – wie z.B. auch ihrem Wahlrecht – Gebrauch machen und alle Menschen unisono die Gleichstellung im Sinn einer glücklichen und gerechten Gesellschaft vorantreiben.
Am 17. Januar 2025 startet die Ausstellung „30 Jahre Gleichstellung und mehr“ im Rathausfoyer. Hier können Bürgerinnen und Bürger einen Einblick in die Amtszeiten aller ehemaliger Gleichstellungsbeauftragter und ihrer Vertreterinnen gewinnen. Die Ausstellung ist kostenlos.
Ehemalige und aktuelle Gleichstellungsbeauftragte trafen sich anlässlich des Jubiläums mit Bürgermeister Wolfgang Pieper im Rathaus. (©Stadt Telgte)