Im letzten Jahr war es die zwar leicht verklausulierte, aber doch kaum verhüllte, Ankündigung von Bürgermeister Peter Horstmann, seinen Hut bei der kommenden Kommunalwahl noch einmal in den Ring zu verwerfen, die die Anwesenden im Theater am Wall überraschte. In diesem Jahr war es die Vehemenz, mit der zwei junge Nachwuchspolitikerinnen unter Beweis stellten, dass Politik nicht nur ein Metier für alte weiße Männer sein sollte.
Nun gut, zu denen zählt der recht junge Bürgermeister auch noch nicht. Doch weit mehr als er zählen Anna Lutterbeck und Ingabelle Nikolitsch zur Generation Z, der man im Allgemeinen zuschreibt, dass das „Z“ aus dem englischen „lazy“, zu deutsch „faul“, stamme. Auftritt Nikolitsch. Mit einer flammenden Rede bricht sie der Arbeit im Jugendparlament eine Lanze. „Gerade in einer Zeit, in der so viele Veränderungen vor uns liegen, ist es wichtig, dass wir als junge Generation Verantwortung übernehmen“, schleudert sie vollbesetzten Saal im Theater am Wall entgegen, in dem durchaus einige der alten weißen Männer (und Frauen) Platz genommen haben. Nach einer entspannten, unaufgeregten und sehr sachlichen Rede des Bürgermeisters, die ungeschönt die aktuellen Probleme der Emsstadt aufzeigt und einen Blick auf mögliche Entwicklungen in der Zukunft richtet, lenkt sie den Fokus auf eine weit darüber hinaus liegende Zeit. „Durch die politische Teilhabe im Jugendalter wird unsere Gesellschaft zukunftstauglicher“, sagt sie. Erfahrung hat sie im Jugendparlament sammeln können. Ein Raunen geht durch den Saal, als sie von ihrer quasi gleichaltrigen Generation fordert, an „Entscheidungsprozessen teilzunehmen und damit die Grundpfeiler unserer demokratischen Republik wirklich wertzuschätzen“. Wohlwollender, anerkennender und zugleich überraschter Beifall begleitet viele ihrer Worte. Er zeigt vielleicht auch, wie wenig man der jüngsten politisch interessierbaren Generation eigentlich zutraut.
Stellt sich die Frage, ob dies in vorigen Generationen ähnlich war. Horstmann hatte zu Beginn seiner Rede auf die vielen Jubiläen in diesem Jahr hingewiesen, darunter auch das 825 Bestehen Warendorfs. Viele der Jubiläen resultieren weitaus jüngerer Zeit: Der Kommunalen Neuordnung von vor 50 Jahren, somit auch das 50-jährige für Warendorf als Kreisstadt. Es sei ihm klar, dass nicht immer alles richtig gewesen sei, was vorausgegangene Generationen auf den Weg gebracht haben, sagt Horstmann. Aber vieles eben doch.
Nur waren seinerzeit, aber das sagt er nicht, die Entscheider meist eben doch älter und, wie man aus den schwarz-weiß Aufnahmen des Fernsehens weiß, immer korrekt mit Hut, Mantel und Zigarre unterwegs.
Bilder die für sich schon deutlich machen, dass sich vieles geändert hat seither. Und auch seit 2024. So darf der vorsichtig „spartanisch“ zu nennende Blumenschmuck vorm Rednerpult, im Vergleich zu den opulenten Sträußen der Vorjahre, sicher als unaufgeregtes Zeichen neuer Sparsamkeit im Haushalt betrachtet werden. „Die finanzielle Situation ist schwierig“, hatte Horstmann in seiner Rede unumwunden zugegeben. Da gilt es, an vielerlei Stellschrauben zu drehen, damit die Stadt die Chance hat, mit der heute noch jungen Generation „Z“ das zu werden, was Anna Lutterbeck beschrieb, bevor der Beifall sie übertönte: „Male ich eine Vision für Warendorf in 25 Jahren, so wünsche ich mir, dass Warendorf eine junge, attraktive und interaktive Stadt ist. Für alle Generationen: Babyboomer, die Generationen X, Y und Z, Alpha, Beta und alle, die danach kommen.“
Anna Lutterbeck (links) und Ingabelle Nikolitsch aus dem Jugendparlament überraschten die Anwesenden mit klaren, fundierten Aussagen zu Politik und Gesellschaft
Bürgermeister Peter Horstmann beim Neujahrsempfang 2025 mit reduziertem Blumenschmuck
Das sah im Vorjahr noch ganz anders aus
Fotos: Rieder