
Die Idee, dass sich junge Menschen innerhalb eines Jahres in bis zu vier von insgesamt 130 Handwerksberufen ausprobieren können, ist nicht ganz neu. Doch damit sie schon bald auch in NRW Wirklichkeit wird, trafen sich Kreishandwerksmeister Heinz-Bernd Lohmann und Hauptgeschäftsführer Frank Tischner jetzt mit Minister Karl-Josef Laumann und CDU-Landtagsabgeordneten aus den Kreisen Steinfurt und Warendorf.
Von der guten Sache überzeugen muss Frank Tischner NRW-Minister Karl-Josef Laumann und die anwesenden CDU-Landtagsabgeordneten aus den Kreisen Steinfurt und Warendorf nicht. Dass junge Menschen heutzutage aufgrund der vielen Berufsmöglichkeiten ein Stück weit überfordert sind und jede Chance erhalten sollten, in möglichst viele Berufe reinzuschnuppern, um so ein Gespür für diese zu bekommen, meint nicht nur MdL Christina Schulze Föcking. Praktikumsangebote und vielfältige Aktionen gibt es dafür bereits im Handwerk, aber eben kein Freiwilliges Handwerksjahr.
Und genau das ist es, was Frank Tischner nicht nur als KH-Hauptgeschäftsführer, sondern auch als Präsidiumsmitglied des Landesverbands der Kreishandwerkerschaften NRW seit einigen Monaten leidenschaftlich vorantreibt. Denn nach den zwei Pilotregionen in Lübeck und Koblenz soll auch in NRW gestartet werden. „Das Freiwillige Handwerksjahr ist alles andere als ein Langzeitpraktikum. Es geht darum, den systemrelevanten Stellenwert des Handwerks für die Gesellschaft zu betonen, indem neben dem Freiwilligen Sozialen Jahr und dem Freiwilligen Ökologischem Jahr auch ein Freiwilliges Handwerksjahr mit den gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen angeboten wird. Gleichzeitig ist es eine Option, jungen Menschen eine neue, weitere Orientierungsmöglichkeit anzubieten“, erklärt Tischner.
„Junge Menschen finden, die man sonst nicht gefunden hätte – das ist unser Ziel“, betont Heinz-Bernd Lohmann und steuert damit Bedenken entgegen, man würde sich mit dem Freiwilligen Handwerksjahr selbst die potenziellen Auszubildenden abwerben. Im Gegenteil, gerade einmal 16 Prozent der Abiturienten in NRW entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk. „Statt work&travel vielleicht mal work&stay nach dem Abi“, schlägt Lohmann vor. „Wenn Jugendliche ein Jahr Orientierung brauchen, ist das Handwerk sicher nicht der schlechteste Ort, denn hier werden Menschen geprägt“, stellt Minister Laumann dazu fest.
Doch es gibt noch viel Klärungsbedarf bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen: Wie läuft es mit der Sozial- und Unfallversicherung, kann das Kindergeld weitergezahlt werden und was ist mit der Berufsschulpflicht? Und die Finanzierung? Die Betriebe wollen den Großteil der monatlichen Kosten selbst finanzieren, erklärt Tischner, weil sie schon jetzt das Potenzial dieser Akquisemöglichkeit fürs Handwerk sehen. Das beeindruckt Karl-Josef Laumann: „Wenn ein Betrieb 750 Euro im Monat in die Hand nimmt, dann ist das ein Wort“, so der Minister und erinnert daran, dass in den letzten Jahren aus seinem Ministerium ebenfalls viel für die Attraktivität des Handwerks getan wurde. Erfolgreich, denn im vergangenen Jahr verzeichnete NRW mehr neue Ausbildungsverträge als Studiumsaufnahmen.
Interessant ist perspektivisch auch die Möglichkeit für junge Menschen im Handwerk, einen der vielen Handwerksbetriebe als selbstständiger Unternehmer oder Unternehmerin eines Tages übernehmen zu können. Denn immer noch finden viele etablierte Handwerksbetriebe keine Nachfolge. Hinzu kommt, dass genau das, was jungen Menschen heutzutage für ihre berufliche Zukunft wichtig ist, im Handwerk geboten wird: Sicherheit und Sinnhaftigkeit.
„Das Handwerk wird nie untergehen“, sind sich Tischner und Lohmann einig. Und auch der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist sich sicher: „Es wird immer was für das Handwerk zu tun geben.“ Zu tun gibt es nun erst einmal jede Menge für die Politik, denn zunächst muss der Bund den Rahmen für ein Freiwilliges Handwerksjahr schaffen. Erst danach folgt die Umsetzung. „Wir würden gern loslegen“, schließt Tischner. Ein dafür notwendiges Anerkennungsverfahren als Träger ist völlig neues Terrain für die Kreishandwerkerschaft, doch davor schreckt hier niemand zurück. „Wenn wir es hier nicht hinbekommen, wo sonst?“, fragt Tischner selbstbewusst in die Runde.
Foto (v.l.n.r.): Frank Tischner, Markus Höner (MdL CDU Kreis Warendorf), Andrea Stullich (MdL CDU Kreis Steinfurt), Simone Wendland (MdL CDU Münster/Altenberge), Kreishandwerksmeister Heinz-Bernd Lohmann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales Karl-Josef Laumann (MdL CDU Kreis Steinfurt), Christina Schulze Föcking (MdL CDU Kreis Steinfurt)
Fotoquelle: KH