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Podiumsdiskussion der Grünen in Telgte: „1,5 Jahre nach den Bauernprotesten – wohin steuert die regionale Landwirtschaft“

Wohin steuert die regionale Landwirtschaft? Anderthalb Jahre nach den bundesweiten Bauernprotesten haben die Grünen in Telgte und ihre Bürgermeisterkandidatin Katja Behrendt zu einer Podiumsdiskussion in den Gasthof Zur Bever in Westbevern eingeladen.

Ein Thema, dass offensichtlich interessiert: Der Versammlungsraum war mit über 50 Anwesenden vollbesetzt. Als Podiumsgäste eingeladen waren Dr. Anja Oetmann-Mennen, Vorstand der Regionalwert AG Münsterland, Norwich Rüße, Sprecher für Landwirtschaft, Tier- und Verbraucherschutz der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW, Andreas Westermann, der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Warendorf und Manfred Fockenbrock, Landwirt aus Telgte.

Nach einer Bestandsaufnahme der aktuellen Situation standen vor allem der Ausbau der Direktvermarktung und regionaler Lieferketten sowie die Nutzung von Windkraftanlagen und Flächen-Photovoltaikanlagen im Fokus.

In der Rückschau auf die bundesweiten Bauernproteste 2024 erinnerte Westermann daran, dass viele Landwirte die Streichung der Steuerentlastung beim Agrardiesel im Rahmen der Haushaltskonsolidierung auf Bundesebene als höchst ungerecht empfanden. „Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagte er.

Danach seien auch Mitglieder des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Warendorf nach Berlin gefahren, um gegen die geplanten Maßnahmen zu demonstrieren. Westermann lobte jedoch, dass es im Zuge der Proteste auf lokaler Ebene zum Dialog gekommen sei.  Die Landwirtschaft sei inzwischen wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Die Bürokratie werde wie auch im produzierenden Gewerbe als erdrückend empfunden. Manfred Fockenbrock nannte als Beispiel Kontrollen vor Ort, die früher von einem einzelnen, inzwischen aber von zwei Kontrollierenden durchgeführt würde, die in einem zweiten Durchlauf von einem weiteren Mitarbeiter überprüft würden. Während man früher mit dem einzelnen Verwaltungsmitarbeitenden im Dialog noch Details hätte klären können, sei dies bei der gegenseitigen Kontrolle der Verwaltungsmitarbeitenden nicht mehr möglich, sodass es zu mehr Beanstandungen und Druck auf die Landwirte käme.

Rüße warnte vor einem radikalen Beschnitt europäischer und nationaler Vorschriften. „Wir sind mit hohen Standards führende Industrienation geworden“, sagte er. Die Dinge müssten einfacher gemacht werden, ohne die Zielvorgaben herabzusetzen.

Dr. Oetmann-Mennen schlug vor, der Lebensmittelproduktion grundsätzlich einen höheren Stellenwert zu verleihen. „So wie die Vorsorgethemen Verteidigung, Schutz gegen Umwelt- und Naturkatastrophen sei auch die regionale Lebensmittelversorgung Teil der Daseinsfürsorge und müsse entsprechend priorisiert werden.

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer in der Bewertung der Direktvermarktung. „Da hat es schon bessere Zeiten gegeben“, brachte es Dr. Oetmann-Mennen auf den Punkt, „mittlere Betriebe brechen weg, weil sie zu klein sind, um mit den Großen mitzuhalten und sind aber zu groß für die Direktvermarktung.“ Westermann bestätigte, dass der Landwirtschaftliche Kreisverband nach jahrelangen Bemühungen, eine eigene Direktvermarktungslinie zu fördern, die Initiative zurzeit „auf Eis gelegt“ hätte. Eine der Schwierigkeiten, so Dr. Oetmann-Mennen, bestände im Fehlen einer regionalen Wertschöpfungskette. So könne die Landwirtschaft beispielsweise nicht einfach Kartoffeln oder Gemüse in die Schulküchen bringen; eine Vorverarbeitung sei nötig, aber es fehlten Betriebe, die dies übernehmen könnten. Eine gute Nachricht für die Verbesserung regionaler Lieferketten hatte Oetmann-Mennen aber im Gepäck. Ganz aktuell hat sie am Emshof eine von der Regionalwert AG mitfinanzierte vollmobile Schlachteinheit vorgestellt. „Mit dem mobilen System schließen wir eine Lücke in der regionalen Fleischverarbeitung und ermöglichen eine tierwohlgerechte Alternative zur herkömmlichen Schlachtung. Für viele Betriebe in unserer Region ist das ein echter Gewinn – ökologisch wie wirtschaftlich.“

Diskutierten bei der Podiumsdiskussion der Grünen in Westbevern: (v.l.) Manfred Fockenbock, Landwirt, Dr. Anja Oetmann-Mennen, Vorstand der Regionalwert AG Münsterland, Norwich Rüße, Grüner Landtagsabgeordneter, Bürgermeisterkandidatin und Sprecherin der Grünen in Telgte, Katja Behrendt, und Andreas Westermann, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Warendorf. Fotos: Anja Weiligmann