News Ticker

Vergessene Welten jüdischen Landlebens in Westfalen – Lesung mit Gisbert Strotdrees bei der VHS

Rund 30 Interessierte fanden sich am Mittwoch, dem 29. Oktober in der Aula der Volkshochschule Warendorf ein, um den spannenden Ausführungen des Historikers und Autors Gisbert Strotdrees zu lauschen. Unter dem Titel „Jüdisches Landleben. Vergessene Welten in Westfalen“ nahm Strotdrees sein Publikum mit auf eine kenntnisreiche und zugleich bewegende Reise in ein weitgehend verdrängtes Kapitel westfälischer Geschichte.

In seinem gleichnamigen Buch beleuchtet der Redakteur des Wochenblatts für Landwirtschaft und Landleben das jahrhundertealte jüdische Landleben zwischen Rhein und Weser – eine Kultur, die durch die nationalsozialistische Verfolgung nahezu ausgelöscht wurde. Mit lebendigen Beispielen und vielen historischen Fotos zeichnete Strotdrees ein facettenreiches Bild jüdischen Alltags auf dem Land.

Warum viele Landjuden als Viehhändler, Metzger oder Kaufleute tätig waren, ob sie Plattdeutsch sprachen, oder wie es kam, dass in Westfalen um 1920 der erste Traktor von jüdischen Landmaschinenherstellern gebaut wurde – diesen und vielen weiteren Fragen widmete sich der Autor mit großer Sachkenntnis.

Einen besonders eindrücklichen Teil des Abends bildete Strotdrees’ Schilderung der Auswirkungen des Novemberpogroms 1938 und der anschließenden „Arisierung“. Er machte deutlich, dass die Enteignung jüdischen Eigentums nicht nur städtische Geschäfte und Industriebetriebe traf, sondern auch Land- und Waldbesitz. Allein in Westfalen und Lippe wechselten etwa 2.000 Hektar zwangsweise den Eigentümer – ein Aspekt, der in der Geschichtsschreibung oft übersehen wird.

Mit seinem Buch leistet Strotdrees einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur jüdischen Landesgeschichte Westfalens und zur Erinnerungskultur der Region. 

Bereits während und nach dem Vortrag nutzten zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, dem Autoren Fragen zu stellen und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Dabei wurde deutlich, wie stark das Thema berührt und wie wichtig die Auseinandersetzung mit diesen „vergessenen Welten“ auch heute noch ist.

Foto: VHS