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Am 8. März ist Weltfrauentag

Foto: pixabay.de

Der 8. März ist der Tag, an dem Frauen weltweit durch Aktionen auf ihre Benachteiligungen im öffentlichen und privaten Leben aufmerksam machen und ihr Recht auf Gleichberechtigung einfordern.

Das Frauenhaus in Warendorf gibt es seit über 40 Jahren. 5210 Personen haben seit dem Bestehen des Frauenhauses hier Schutz gefunden – 2394 Frauen und 2814 Kinder. Auch ohne die Schwierigkeiten, die die Corona-Pandemie für das alltägliche Leben und Arbeiten mit sich brachte, gibt es in unserem Beruf schwierige Arbeitsbedingungen, auf die wir zum Weltfrauentag aufmerksam machen möchten:

Die Finanzierungsverantwortung des Frauenhausaufenthaltes liegt immer noch bei den Frauen, d.h. es gibt einen Tagessatz für die Frauen und Kinder, die im Haus leben. Statt nach der Ankunft einer neuen Bewohnerin (und ihren evtl. Kindern) im Frauenhaus als erstes Ziel Entlastung und Stabilisierung in der gemeinsamen Arbeit fokussieren zu können, ist es eine der primären Hauptaufgaben der Frau zu erklären, dass die Finanzierungsverantwortung ihres Aufenthaltes bei ihr liegt und gemeinsam mit ihr für die Existenzsicherung zu sorgen (ALG beantragen etc.). Vor Gewalt fliehen zu müssen und dafür dann auch noch selbst zahlen zu müssen – für Bewohnerinnen und Mitarbeiterinnen gleichermaßen unbegreiflich.

Das Frauenhaus Warendorf fordert:

Schutz vor Gewalt konsequent als staatliche Aufgabe begreifen und für alle gewaltbetroffenen Frauen und Kinder auch so finanzieren. Die Finanzierungsverantwortung muss an den Staat gehen. Wir fordern das 3-Säulen Modell von einzelfallunabhängiger, bedarfsgerechter und institutioneller Frauenhausfinanzierung, wie es von unserer Vertretung auf Bundesebene (Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser) schon lange gefordert wird. Nur so ist Gewaltschutz für alle gewaltbetroffenen Frauen und Kinder möglich. Frauenhausbewohnerinnen rutschen aufgrund der Flucht oft in Armut ab und sind daher meist gezwungen Sozialleistungen zu beantragen, um ihren Aufenthalt zu finanzieren. Leider ist dies nicht allen von Gewalt betroffenen Frauen in Deutschland möglich. Der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung sieht einen „bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern“ vor – wir fordern konsequente Umsetzung!

Wir Mitarbeiterinnen haben oft das Gefühl von Machtlosigkeit über die strukturelle Gewalt gegen Frauen, die auch in unsere Arbeit hineinwirkt. Zum Beispiel, wenn wir eine Frau bei Platzanfrage per Telefon zunächst darauf aufmerksam machen müssen, dass Frauen drei Jahre mit ihrem Mann verheiratet sein müssen, wenn sie ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland vom Ehemann ableiten. Sollte es also vor dieser Ehebestandszeit zu Gewalt gegen die Frau kommen hat sie eine schwierige Wahl zu treffen:

Soll ich flüchten und damit mein Aufenthaltsrecht in Deutschland gefährden? Vielleicht muss ich dann in mein Herkunftsland zurück, aus dem ich eventuell geflohen bin? Oder bleibe ich beim Gewalttäter und riskiere damit meine Gesundheit und eventuell mein Leben?

In Deutschland gibt es in diesem Fall nur per Antrag nach Härtefallregelung eine Möglichkeit auf einen eigenständigen Aufenthalt – verbunden mit hohen bürokratischen Hürden. Wir fordern (schon seit Jahren), die Regelung der Ehebestandszeit in Gewaltfällen abzuschaffen, um Frauenleben zu

schützen! Frauen sehen sich ansonsten weiterhin aus Angst um das Aufenthaltsrecht gezwungen beim gewalttätigen Partner zu verbleiben und sich und ihren Kindern evtl. hohen Gefahren auszusetzen.

Femizide – jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner umgebracht. Jeden Tag gibt es einen Tötungsversuch. Frauenhausbewohnerinnen, ihre Kinder sowie auch Mitarbeiterinnen sind tagtäglich gefordert, mit dieser Gefahr umzugehen, Stabilisierung zu betreiben und neue Perspektiven zu entwickeln für ein Leben ohne Gewalt. Dies ist schwierig in einem System, das Frauen und ihre Kinder nicht ausreichend schützt. Auch zwei Bewohnerinnen aus dem Frauenhaus Warendorf wurden von ihren (Ex-)Partnern ermordet: 2000 wurde S. von ihrem Ehemann auf offener Straße vor zwei ihrer Kinder getötet. 2007 wollte die 36-jährige P. ein neues Leben beginnen, doch ihr Ehemann nahm ihr das Leben. Diese Morde hinterlassen große Lücken im Leben von Kindern, Angehörigen, Freund*innen und natürlich kostet so ein Verbrechen auch uns Mitarbeiterinnen große Kraft: Psychosoziale Betreuung für die hinterbliebenen Kinder, Stabilisierung der Gruppe der im Frauenhaus lebenden, verängstigten und trauernden Frauen und Kinder, Verarbeitung eigener Trauer, Bedenken um die Sicherheit der Frauen und Kinder sowie um die eigene Sicherheit.

Auch heute gibt es immer wieder sehr gefährliche Situationen für aktuelle und ehemalige Mitbewohnerinnen unseres Frauenhauses, wie das folgende Beispiel aktuell verdeutlicht:

Eine Frau mit ihren drei Kindern im Alter von 3-12 Jahren hat nach einem fünfmonatigen Frauenhausaufenthalt eine eigene Wohnung vor Ort gefunden. Zuvor war sie aus Süddeutschland vor ihrem gewalttätigen Ehemann ins Warendorfer Frauenhaus geflüchtet. Schon bevor die Frau zu uns ins Frauenhaus kam, gab es aufgrund der brutalen Tätlichkeiten ein Kontakt- und Näherungsverbot gegen den Expartner. Dieser hat nun den neuen Aufenthaltstort der Familie ausfindig gemacht, zieht in den Kreis Warendorf. Er stellt der Familie wochenlang nach und bedroht die Familie. Frau und Kinder haben massive Angst die Wohnung zu verlassen, da sich ständig das Auto des Mannes vor der Wohnung der Familie befindet. Der Frau droht der Verlust ihrer Arbeitsstelle, da der Mann auch hier immer wieder auftaucht und schränkt so die Freiheit und Lebensqualität der Familie immer weiter ein. Doch die Kinder müssen zur Schule, Einkäufe müssen erledigt, Ärzte besucht werden. Ist ein Leben ohne ständige Angst unmöglich? Soll die Familie erneut in ein weiteres Frauenhaus fliehen? Ist eine lebenslange Weiterflucht die Lösung?

Unsere Expertise soll von anderen Einrichtungen, Behörden und Gerichten anerkannt werden. Wir arbeiten als gewaltinformiertes Fachpersonal (Dipl.-Pädagoginnen, Dipl.-Sozialpädagoginnen und Erzieherinnen) nach einem parteilich-feministischen und gesellschaftskritisch Beratungsansatz. Alle Anliegen und das Erleben der Frauen und Kinder werden ernst genommen. Dabei achten wir gleichzeitig auf die nötige professionelle Distanz sowie auf die Förderung der Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung. Dies steht im starken Gegensatz zu unkritischer Parteinahme und der Bestärkung der Opferidentität der Frauen und Kinder. Aus diesem Grund wünschen wir uns besonders beim Kontakt zum Jugendamt und bei familiengerichtlichen Verfahren, dass unsere fachliche Sicht auf die bei uns lebende Familie als solche anerkannt und auch eingeholt wird. Zu oft wird der Hintergrund von jahrelanger psychischer, physischer und weiteren Gewaltformen in familiengerichtlichen Verfahren einfach außer Acht gelassen.

Wir fordern in diesem Zusammenhang die Umsetzung der Forderungen der Istanbul-Konvention sowie der Pläne der neuen Bundesregierung, die in ihrem Koalitionsvertrag schreibt, dass sie „in

familiengerichtlichen Verfahren den Kinderschutz (…) stärken“ und „einen Fortbildungsanspruch für Familienrichterinnen und Familienrichter gesetzlich verankern“ will: „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“