Das Freckenhorster Bürgerhaus überrascht regelmäßig mit Perlen kleiner und großer Kunst

„Die Zukunft war früher auch besser“ – Mit diesem berühmten Zitat von Karl Valentin begrüßten Marion und Markus von Hagen am letzten Julinachmittag die rund 30 im Durchschnitt bei Ü-50 liegenden Gäste im Freckenhorster Bürgerhaus. Dreißig. Ungefähr nur zwei Drittel der Besucherzahl, die das kleine Haus aufnehmen kann. Und aufnehmen sollte. Denn die Qualität des hier gebotenen ist hoch, mitunter sehr hoch. Von der Lesung bis zum Konzert und zum Musical. Aber es waren nur 30 Gäste. Vielleicht lag es am sonnigen Sonntagnachmittag, vielleicht an der beginnenden Urlaubszeit oder vielleicht – aber eben hoffentlich nicht – daran, dass diese Form analogen Kulturinfluencertums per Auftritt live vor Publikum, in Zeiten der allgegenwärtigen Multimedialität an Zugkraft verloren hat, so dass es eben nicht mehr als 30 Menschen waren, die sich in einen Abend voller fein-, grob-, hinter- und unsinnigen Humors ver- und entführen lassen wollten. Es lag auch nicht an horrenden Eintrittspreisen, denn der Eintritt war, wie so oft, frei. Stattdessen wurde am Ausgang um die klassische und freiwillige Gabe in den Spendenhut gebeten.

Jedenfalls lag es wieder einmal nicht an den Protagonisten, die in genialem Zusammenspiel Leben und Werk des stets irgendwie schrägen bayerischen Volkssängers, Autors und Filmproduzenten darstellten, der im Rückblick vor allem auch eins ist: der Begründer deutscher Komik, wie das Land sie heute in berühmten Namen wie Loriot oder Otto kennt, die viel seines Werktypus aufgenommen, teils sogar kongenial kopiert und weiterentwickelt haben. Vor allem der als Loriot bekannte Victor von Bülow griff die Technik auf, kleine groteske Stücke über mitunter ebenso groteske Situationen die jeder kennt, als Sketche zu inszenieren. Wer den von Hagens bei der Darstellung der in Süddeutschland sehr bekannten Sketchfigur Buchbinder Wanninger folgte, fühlte sich schnell an Loriots Lottogewinner Erwin Lottemann erinnert, dessen Tochter im Herbst mit dem Papst eine „Herrenbutike“ in Wuppertal eröffnen wird.

Valentin habe die Absurditäten des Alltags ent- und aufgedeckt, so die Schilderung von Marion von Hagen. In der bewährten und bekannten Form der Auftritte des Paares war sie es, die die Hintergrundinformationen über Vita und Werk des Mannes lieferte, der stets Wert darauf legte, dass sein Name mit einem „F“ ausgesprochen wird. „Grüßen Sie Ihren Herrn Water“ war seine Antwort, sofern ihn jemand „Walentin“ aussprach.

Markus von Hagen, gebürtiger Mittelfranke, rezitierte mit gekonntem Zungenschlag aus Valentins Werken. Dabei viele längere Passagen ebenso wie einzelne Zitate wie: „Ich freu’ mich, wenn’s regnet. Denn wenn ich mich nämlich nicht freu’, regnet’s trotzdem.“

Die Anwesenden Ü-50er, denen der Autor nicht unbekannt schien, waren sehr angetan von all den kleinen und großen Erinnerungsstücken. Keinesfalls waren sie ein Publikum, wie Valentin es in frühen Jahren einmal erlebt hatte: „Das Publikum war entsetzt – aber sonst war es gut!“

Nicht gut eben nur die Frage nach der Zukunft dieser Veranstaltungen, die gerne mehr Publikum fänden. Das Bürgerhaus Freckenhorst hat die nächste Saison bereits geplant. Sie soll im Herbst beginnen und die Auftritte sollen frühzeitig im Internet veröffentlicht werden. Der nächste Termin mit den von Hagens steht bereits fest: Am Sonntag, 6. Oktober 2024 um 17 Uhr folgt erneut genialer Sprachwitz. Dann mit humorvoll- hintergründigen Versen von Christian Morgenstern. Steht zu hoffen, dass die Zukunft solcher Art Kulturveranstaltungen in der einzigartigen Atmosphäre des Freckenhorster Bürgerhauses eine Zukunft ist, wie sie früher einmal war: Besser!

Als genau passend für die intime Atmosphäre des Freckenhorster Bürgerhauses erwies sich die „Erotische Literatur in der Badewanne“ mit Manuela Reiser

Nur geputzt hat sie nicht: Lea Christiansen und Frank Harbour brachten in „Ophelia putzt – eigentlich“ brillant-ungewohnte Musicalvariationen auf die nicht geputzte Bühne

In bewährter Form vermittelten Marion und Markus von Hagen einen kurzweiligen und zugleich sehr informativen Einblick in Leben und Werk von Karl Valentin

Fotos: Rieder