Der neue Chefarzt der Anästhesie, Priv.-Doz. Dr. Tim Kampmeier, hat ein besonderes Anliegen:
„Nein, kein roter Strich“, sagt Dr. Kampmeier und wenn er könnte, würde er sicherlich mit den Ohren schlackern und die Augen rollen. Denn der neue Chefarzt der Anästhesie im Warendorfer Josephs-Hospital, seit Oktober in dieser Funktion, hat sich auf eine Erkrankung spezialisiert, an der rund alle sechs Minuten ein Mensch in Deutschland stirbt – 85.000 Menschen pro Jahr. Doppelt so viele Menschen, wie Warendorf Einwohner hat. Jedes Jahr. Der Volksmund sagt Blutvergiftung dazu, der Mediziner Sepsis. Und während diese – unbehandelt immer tödlich endende – Erkrankung auch Mediziner vor viele Fragen stellt, ist der Irrglaube im Volksmund ein besonders schlimmer Faktor: Denn eine Sepsis erkenne man nicht an einem roten Strich, der von einer Wunde in Richtung Herz ziehe, wie der Arzt betont. Eine Sepsis sei ein Chamäleon, was das Erkennen besonders schwierig mache. Aber, so sagt er, je mehr man darüber wisse, desto besser könne man sie behandeln. Und das, so Dr. Kampmeier, müsse rechtzeitig geschehen. „Zeit ist Überleben!“ gilt dabei als sehr prägnantes Motto.
Insofern ist die frühzeitige Diagnose „Sepsis“ enorm wichtig, bevor sich die Infektion weiter im Körper ausbreiten kann. Früh bedeute auch nicht erst im Krankenhaus oder gar erst auf der Intensivstation. Früh bedeute beim niedergelassenen Arzt, durch den Pflegedienst, den Rettungsdienst oder auch vielleicht in der aufgesuchten Apotheke, durch die Angehörigen, Nachbarn, Arbeitskollegen. „Die Herzfrequenz ist erhöht, der Blutdruck ist unten“, schildert er. Daher atmeten die Patienten schnell, weil dem Körper Sauerstoff fehlt. Zudem seien die Patienten irgendwie „tüdelig“. Deshalb müsse, wenn Patienten Verwirrtheitssymptome zeigten und gleichzeitig auch schnell atmeten, unbedingt auch an eine Sepsis gedacht werden. Auch wenn kein Fieber vorhanden sei oder keine erkennbare Verletzung. Gerade das „tüdelige“ sei oft ein Symptom, das eher vernachlässigt werde.„Das Überleben beginnt mit dem Erkennen, mit dem ernst genommen werden“, unterstreicht der Arzt, der über Sepsis und Multiorganversagen promoviert, geforscht und habilitiert hat und sich mehr Sensibilität für das Thema wünscht.
Sein Wissen weiterzugeben, ist ihm ein Anliegen. „Sepsis ist eins meiner großen Herzensthemen“, bekräftigt er. Nicht nur für das Krankenhaus, sondern für den gesamten Kreis! Deshalb setzt sich Tim Kampmeier für Schulungen ein, damit möglichst viele Menschen informiert sind und die dritthäufigste Todesursache in der Statistik so weit wie möglich nach hinten rutscht. „Warendorf erkennt Sepsis“ wünscht er sich analog zu der 2021 ins Leben gerufenen Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis.
Im Krankenhaus arbeitet er mit immer weiter entwickelten Methoden der Diagnostik, zu denen auch Künstliche Intelligenz gehört. Wenn Patienten auf dem Weg seien, eine Sepsis zu entwickeln, könne die KI mitunter schon warnen, bevor Ärzte und Personal das erkennen. Zumindest aber könne sie das Erkennen unterstützen. Zudem wolle er mehr Ultraschalldiagnostik in den OP bringen, sagt Dr. Kampmeier. Beispielsweise bedeute eine nicht optimal funktionierende Herzklappe zu erkennen, sich für eine geänderte Narkoseführung zu entscheiden.
Das übergreifende Stichwort lautet Patientensicherheit, die für den Facharzt nicht erst beider Krankenhausbehandlung beginnt. Sie beginne viel früher, wie bei dem verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika, die früher viel zu oft, zu früh und teils unnötigerweise verschrieben wurden. Während das Bewusstsein der Ärzte diesbezüglich über die vergangenen Jahrzehnte stärker geworden ist, liegen Fehler noch oft bei den Patienten, die diese Lebensretter falsch einnehmen. Nicht regelmäßig, nicht lange genug oder was der möglichen Fehler mehr sind. Das fördert die Widerstandskraft der Keime, sie werden resistent. Infektionen wie Sepsis können aber nur durch wirksame Antibiotika bekämpft werden.
Seine Ideen würden im Krankenhaus sehr gut angenommen, freut er sich. Er habe insgesamt das Gefühl, willkommen zu sein, und das werde ihm auch gespiegelt. „Viel Unterstützung von den Kollegen“, betont er. Die bekommt er auch von einem anderen „Herzensthema“: Seiner Familie mit Frau und zwei kleinen Söhnen.
Der neue Chefarzt der Anästhesie im Warendorfer Josephs-Hospital, Priv.–Doz. Dr. Tim Kampmeier
Foto: Rieder