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Eine Schule mit Seltenheitswert: Ein besonderes Konzept schafft besondere Möglichkeiten

Vermutlich würden sich jeder Schüler und jede Schülerin eine Schule wie das neue Regenbogenschulhaus in Warendorf wünschen. Nicht nur weil das Haus ganz neu ist und erst zu diesem Schuljahr seinen Betrieb aufgenommen hat. Und ebenfalls nicht nur, weil das Konzept des fast ausschließlich in weiß gehaltenen Hauses, mit großen Fenstern, lichtdurchfluteten Räumen, einer warmen Holzvertäfelung der Fassade sowie einladenden Außenflächen schon allein beim Hinsehen seine Besonderheit, Ruhe und Wärme ausstrahlt.

Sondern vor allem auch wegen des besonderen und ungewöhnlichen Konzepts, das dieser Schulische Lernort umsetzt. Für derzeit 11 und maximal 20 Schüler „mit einem besonders ausgeprägten und umfassenden Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung“, wie es etwas sperrig in der offiziellen Beschreibung des Hauses heißt. Das ließe sich mit „Kinder mit besonderer motorischer Unruhe oder Kinder mit verbesserungswürdiger Selbstkontrolle“ übersetzen.

Keine Förderschule im klassischen Sinne sondern ein Lernort auf Zeit. Für junge Menschen der Klassen 1 bis 10, die von der hier möglichen besonderen Zuwendung profitieren können. „Multiprofessionell“ nennt Schulleiterin Nicole Haas diese intensiv-pädagogische Förderung, die bereits ebenso multiprofessionell angestoßen wird. Von einem Team aus Schulpsychologen, Soziologen und Sonderpädagogen. Kommen sie zu dem Schluss, dass ein Kind mit dieser Art der Beschulung geholfen werden kann, schlagen sie der Schulaufsicht die Zuweisung vor.

Ein Verfahren das es im Kreis Warendorf bereits gibt – im Schulischen Lernort in Ahlen, der bereits zum Schuljahr 2019/2020 eröffnet wurde. Ebenfalls mit 20 Förderplätzen. Und seither eine Erfolgsgeschichte, denn die jungen Menschen fühlen sich dort wohl, wie Haas unterstreicht. Der Beweis: Das Haus in Ahlen sehe noch immer aus wie neu, Vandalismus gibt es nahezu nicht. „Die Schüler wertschätzen einen solchen Ort“, ist sich Kreisbaudirektor Hendrik Borgstedt sicher.

Für den Standort Ahlen konnte ein 2004 gebautes Haus genutzt werden. Allerdings ist der Weg nach Ahlen für Schüler aus dem Nordkreis weit. „40 und mehr Minuten“; sagt Landrat Dr. Olaf Gericke und verweist darauf, dass dies für die Schüler mit ihren persönlichen Eigenschaften sehr lang sein kann. Mit der neuen Schule erhalten sie kürzere An- und Abfahrtswege und die Nähe zu ihren Stammschulen – mit denen eine enge Zusammenarbeit besteht – bleibt erhalten.

Für den Neubau drängte sich das vorhandene Grundstück neben dem Paul-Spiegel-Berufskolleg nachgerade auf. Es war im Eigentum des Kreises, das Baurecht vorhanden. Mit einem Budget von 3,8 Millionen Euro, davon eine Million finanziert über das Programm „NRW Bank – Gute Schule 20020“, entstand seit Baubeginn August 2023 dieses auch architektonisch besondere Konzept. Mit viel offenem Raum und ausreichend Gelegenheiten zum Rückzug bietet es den Schülern Freiheit und Schutz zugleich. Dabei sind die Räume mit ihren auch innenliegenden Fenstern so gestaltet, dass die Lehr- und Aufsichtskräfte freie Sicht haben, ohne dass die Schüler sich kontrolliert fühlen. Halbtransparenz, nennt Haas das Konzept, das gut geeignet sei, Ängste abzubauen. „Das Gebäude ist eigentlich ein zusätzlicher Pädagoge“, sagt sie.

„Wie eine kleine Stadt“, betrachtet Architekt Thomas Becker aus Ennigerloh das Haus. Mit Flächen für Gemeinsamkeit ebenso wie zum Rückzug. So etwas sei so noch nicht gedacht worden. Dass das Haus mit einem Aufzug und entsprechender Gestaltung auch barrierefrei ist, versteht sich von selbst. Mit Premium KFW-Standard 40ee, der eine KFW Förderung von 203.000 ermöglichte, vollflächiger PV-Anlage und drei Wärmepumpen auf dem Dach sowie Bezug von Ökostrom auch vollkommen CO2-neutral.

Doch noch besonderer als alles das ist die Tatsache, dass es einen solchen Schulischen Lernort nur zwei Mal in Nordrhein-Westfalen gibt, wie Dr. Gericke mit berechtigtem Stolz berichtet. „Was wir hier machen ist ganz innovativ“, sagt er. Auch weil es nicht schwarz-weiß denkend die Wahl zwischen Regel- oder Förderschule erfordert, sondern eine „Auszeit aus dem Regelsystem ermöglicht. Dies sende an die Eltern ein klares Signal für die individuelle Förderung der Kinder. Und die Eltern, sagt die Schulleiterin „sind glücklich und dankbar, dass wir uns kümmern“, und berichtet von einer Mutter, die sich jüngst mit Tränen in den Augen darüber freute, dass ihrem Kind diese Möglichkeit offen steht.

Auch die Außenansicht hebt sich von anderen Gebäuden und Bauformen ab

Das neue Schulhaus beeindruckt mit einem erstaunlich offenen, hellen und warmen Innenleben. Es sei eindeutig gelungen finden: Jana Ebbers und Architekt Thomas Becker (Thomas Becker Architekten GmbH), Schulleiterin Nicole Haas, Landrat Dr. Olaf Gericke, Dezernentin Dr. Anna Arizzi Rusche und Kreisbaudirektor Hendrik Borgstedt (v.li.)

Küchen gelten als Mittelpunkt des häuslichen Lebens. Die moderne und zugleich wohnliche Struktur der Küche schafft Atmosphäre

Fotos: Rieder