Das DEULA-Gelände im Warendorfer Norden ist fast 9 Hektar groß. 24 Unterrichtshallen und Werkstätten sowie rund 100 Gästezimmer machen die Orientierung im Ernstfall für Außenstehende schwierig. Zudem ist das Gelände durch vier Tore gesichert. Zu denen hat die Feuerwehr zwar den Zugang, aber wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen, muss jeder Handgriff sitzen, jede Sekunde zählt. Darum hat die DEULA Westfalen-Lippe jetzt die Feuerwehr Warendorf zu einer großangelegten Übung eingeladen!
Das Szenario: An einem Samstagnachmittag haben sich Jugendliche Zutritt zum DEULA-Gelände verschafft, sind in eine Werkhalle eingedrungen und haben sich an den dort deponierten Minibaggern zu schaffen gemacht. Dabei haben sie einen Brand ausgelöst, dem nur einer der Jungen entkommen konnte. Ein kleineres Kind aus dieser Gruppe war zuvor auf eigene Faust losgezogen und war in einer anderen DEULA-Halle beim Spielen mit den Beinen unter dem Vorderrad eines Traktors eingeklemmt worden – unbemerkt von seinen Spielkameraden.
Soweit, so realistisch! Eine Nebelmaschine simuliert die Rauchentwicklung, lebensgroße und –schwere Puppen wurden als Unfallopfer in der Unterrichtshalle versteckt. Die Brandmeldeanlage der DEULA hat in der Feuerwehr-Leitstelle Alarm ausgelöst. Beide Löschzüge der Warendorfer freiwilligen Feuerwehr rücken aus. Rund 45 Feuerwehrmänner und –frauen werden zum Einsatz kommen. Sie wissen zwar, dass es sich nur um eine Übung handelt, insofern ist der Adrenalinpegel bei allen Beteiligten im unteren Bereich. Aber das soll sich noch ändern! Denn schon beim Eintreffen am Haupttor geht es um Orientierung: Halle 7 – wie kommt man da am besten hin? Und wie funktioniert die manuelle Überbrückung der Schranke? Während die ersteintreffende Gruppenführerin dafür sorgt, dass Tor und Schranke geöffnet werden, blockieren etliche Einsatzfahrzeuge die Doktor-Rau-Allee. Einige von ihnen werden über Funk zum zweiten DEULA-Tor umgeleitet, auch die große Drehleiter fährt von dieser Seite an die Hallen heran. „Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass die Feuerwehrleute bei uns eine Übung machen. Ortskenntnis ist im Ernstfall das A und O“, kommentiert der Brandschutzbeauftragte der DEULA, Thomas Schröter, die ersten Sekunden des Einsatzes. „Aber die haben das gut im Griff. Gerade befragen sie den Jungen, der aus dem Rauch entkommen ist!“ Ein junger Feuerwehrmann spielt überzeugend den völlig geschockten und verängstigten Jungen, der nur ungenaue Angaben über Anzahl und Position der Opfer geben kann.
Der Einsatzleiter, Brandoberinspektor Thomas Steinhoff, hat das Szenario ausgearbeitet. Er beobachtet jedes Detail der Übung. Zufrieden nimmt er zur Kenntnis, dass die Gruppenführerin geistesgegenwärtig einen sogenannten „Angriffstrupp zur Menschenrettung“ vorschickt, um den vermissten kleinen Jungen zu finden. „Schön, wenn auch unter Übungsbedingungen die Kollegen so schnell und routiniert handeln. Für uns ist wichtig, dass wir hier mal eine Einsatzsituation simulieren können, die so nicht alltäglich ist. Ein Brand in einer Baumaschinenwerkstatt ist eine ganz eigene Herausforderung!“ Feuerwehrleute mit schwerem Atemschutz machen sich bereit, in die völlig verqualmte Halle vorzudringen, um die Opfer zu finden und zu retten. Doch bevor sie sich Zutritt verschaffen können, müssen erst die Löschwasserversorgung sichergestellt und die topmoderne Drehleiter in Position gebracht werden. Keiner weiß, ob nicht explosive Stoffe in der Werkstatt gelagert sein können. Diesel und Hydrauliköl, Dosen mit Bremsenreiniger, Fahrzeugbatterien – alles könnte den Helfern um die Ohren fliegen. Als ihre Kameraden ihnen Deckung geben können, dringen die Retter ins Innere der Halle vor. Sie sehen die Hand vor Augen nicht, müssen aber trotzdem jeden Quadratzentimeter absuchen, wenn es sein muss, allein mit dem Tastsinn. Das letzte (Puppen-)Opfer wird in einer Baggerkabine gefunden und mit vereinten Kräften zur Verletztensammelstelle gebracht, wo sich im echten Notfall der Rettungsdienst weiter um sie kümmern würde.
Auch DEULA-Geschäftsführer Björn Plaas schaut interessiert zu. Er hatte angeregt, dass so eine Übung auf dem DEULA-Gelände stattfinden soll. „Ich glaube, wir alle sind sicherer, wenn die Feuerwehr die DEULA aus eigener Anschauung kennt. Wir sind auf den Ernstfall gut vorbereitet, haben einen Brandschutzbeauftragten und einen Brandschutzhelfer, der selbst Unterbrandmeister bei der Feuerwehr ist. Wir haben Rauchmelder und eine Brandmeldeanlage, die bei der Feuerwehr aufgeschaltet ist. Aber die Erfahrung der Feuerwehrleute selbst ist durch nichts zu ersetzen. Wenn es hart auf hart geht, müssen die einfach die Anlage hier kennen. Deshalb machen wir auch im Anschluss an diese Übung noch eine detaillierte Führung mit allen!“ Aber bevor es soweit ist, muss erst das Kind befreit werden, dass unter einem Traktorreifen eingeklemmt ist. Der Suchtrupp hatte den Kinderdummy in einer anderen Halle gefunden und sofort einen Rüstwagen angefordert. Dieser hat jede Menge Werkzeug an Bord: hydraulische Rettungsgeräte, Hebewerkzeuge, Holzbohlen und –Keile und vieles mehr. Aber wie hebt man einen tonnenschweren Traktor an? Auch das will gelernt sein. Ein einfacher Wagenheber funktioniert jedenfalls nicht. Trotz schwerem Gerät kostet es scheißtreibende und nervenaufreibende Minuten, bis die Puppe unter dem Reifen hervorgezogen werden kann. „Auch hier haben wir wieder viel gelernt, nicht nur für den Einsatz in der DEULA, sondern generell für den Umgang mit derart schweren Maschinen“, so bilanziert einer der Feuerwehrleute. „So ein Schlepperunfall kann ja auf den Höfen hier im Umkreis jeden Tag passieren.“ Nach fast zwei Stunden ist die Übung beendet. Einsatzleiter Thomas Steinhoff wird sie in einer Manöverkritik mit seinen Kameradinnen und Kameraden noch sorgfältig aufarbeiten: „Die letzte Übung hier ist ja schon Jahre her, und da sah es ja hier noch ganz anders aus. Wir sind dankbar für die Gelegenheit, hier ganz praktisch einen Einsatz üben zu dürfen! So etwas ist in der Theorie nicht erlernbar!“ Damit zitiert er, wahrscheinlich ohne es zu wissen, das Motto des DEULA-Bildungszentrums: „Lernen und Erleben!“
Mit 2 Löschzügen und 45 Einsatzkräften vor Ort – die freiwillige Feuerwehr Warendorf
Genug Platz zum Üben mit der Drehleiter – das Rangierfeld der DEULA.