IHK fordert Mut zu durchgreifenden Reformen: Regionale Wirtschaft steht still

Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen (Foto: IHK)

Münsterland/Emscher-Lippe-Region. – Die Stimmung in der Wirtschaft ist schlecht. Auch das Münsterland und die Emscher-Lippe-Region bilden da keine Ausnahme. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der IHK Nord Westfalen, die die IHK heute (29. Oktober) in Münster vorgestellt hat. Von einem Aufschwung ist danach weit und breit nichts zu sehen, „es herrscht konjunktureller Stillstand“.

„Die Bundesregierung muss schnellstmöglich dafür sorgen, dass die Unternehmen das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort zurückgewinnen“, forderte deshalb IHK-Präsident Lars Baumgürtel. Nach drei Jahren ohne Wachstum, die der Wirtschaft drohen, nimmt auch bei der IHK Nord Westfalen die Ungeduld zu. Warum, das skizzierte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel anhand der Umfrageergebnisse.

Der IHK-Konjunkturklimaindikator, der die aktuelle Geschäftslage und die Zukunftserwartungen der Unternehmen in einem Wert ausdrückt, ist unverändert gegenüber dem Frühjahr und verharrt das dritte Jahr in Folge mit aktuell knapp 100 Punkten auf niedrigem Niveau. Eine Stagnationsphase von dieser Dauer hat es in der gesamten Datenreihe der IHK noch nicht gegeben. Der Indikator liegt gegenwärtig deutlich unter dem langjährigen Mittelwert, der für die vergangenen zehn Jahre 108,7 beträgt. Im Herbst 2018 lag er sogar noch über 125. „Damit verbunden sind schleichende Wohlstandsverluste, die jetzt spürbar werden“, so Jaeckel.

Die aktuelle Geschäftslage bezeichnet weiterhin fast jedes vierte Unternehmen als schlecht (23 Prozent). Noch ist die Lage im Dienstleistungssektor über dem Durchschnitt (schlecht: 14 Prozent), „doch auch hier ist der Abstand zu früheren Umfragen groß“, macht Jaeckel deutlich. In Industrie und Handel ist die Lage besonders schlecht, jeder dritte Betrieb ist hier mit seinen Geschäften nicht zufrieden.

Dass sich die Lage in den nächsten Monaten verbessern wird, erwartet nur ein Fünftel der Unternehmen. Ebenso viele gehen sogar davon aus, dass sich die Geschäftslage weiter verschlechtert. Über 60 Prozent erwarten eine gleichbleibende Geschäftslage.

„Angesichts der unverändert schwierigen Rahmenbedingungen kommen wir einfach nicht raus aus dem Tief“, erläutert der IHK-Hauptgeschäftsführer. Die Industrie kämpft laut IHK mit Wettbewerbs- und Standortnachteilen vor allem durch hohe Energie- und Arbeitskosten, der Handel wiederum spürt demnach die gedämpfte Kauflaune infolge wachsender Sorgen um den Arbeitsplatz. Hinzu kommt über alle Branchen hinweg die weiter wachsende Bürokratie. Zweitgrößtes Konjunkturrisiko sind aus Sicht der Unternehmen auch deshalb die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (59 Prozent), knapp hinter der schwachen Inlandsnachfrage (61 Prozent).

„Es herrscht weiterhin eine hohe Verunsicherung in der Wirtschaft“, betont IHK-Präsident Lars Baumgürtel. Trotz richtiger Einzelmaßnahmen, die die Bundesregierung erst kürzlich beschlossen habe, vermissten viele Unternehmen „durchgreifende Reformen, die eine dauerhafte Lösung der strukturellen Probleme und eine Beseitigung der Wettbewerbsnachteile in Aussicht stellen“. Dazu gehöre eine Neuausrichtung der Energiewende. „Der Umbau des Energiesystems, so wie er derzeit geplant ist, kann weder von den Unternehmen noch vom Staat so weiter finanziert werden“, so Baumgürtel. Das habe eine aktuelle Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) mit Nachdruck deutlich gemacht und gleichzeitig Wege aufgezeigt, wie das Ziel der Klimaneutralität dennoch zu erreichen sei. Die Zweifel insbesondere in der Industrie, ob die Energieversorgung überhaupt und obendrein zu wettbewerbsfähigen Preisen zukünftig gesichert sei, müssten jetzt schnellstmöglich ausgeräumt werden.

Dass die Unternehmen darauf warten, zeigt die große Investitionszurückhaltung der Wirtschaft im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region. Nach wie vor planen mehr Unternehmen, ihre Investitionen weiter zurückzufahren (27 Prozent) als ihre Investitionen zu erhöhen (24 Prozent). In der Industrie sind es sogar 35 Prozent, die weniger investieren wollen. Unternehmen, betonte der IHK-Präsident, warten nicht auf politische Entscheidungen oder deren geplante Wirksamkeit. „Unternehmen müssen nach Lage der Dinge entscheiden und die ist momentan weiterhin schlecht“. Die Bundesregierung müsse jetzt den Mut zu Reformen haben – für einen konsequenten Bürokratieabbau, für Entlastungen bei Energiekosten und Steuern, für eine Modernisierung des Sozialstaates und für mehr Freiraum für unternehmerisches Handeln. „Sonst wird ein Neustart, auf den die deutsche Wirtschaft wartet, nicht gelingen“, so Baumgürtel. Dabei komme es auf Schnelligkeit an, „weil jeden Tag in den Unternehmen Entscheidungen fallen, wo Investitionen für die nächsten zehn, 20 oder 30 Jahre getätigt werden, hier oder im Ausland“.

Denn mittlerweile gerät auch der Arbeitsmarkt spürbar unter Druck. Jedes vierte Unternehmen will laut IHK-Umfrage die Zahl seiner Beschäftigten reduzieren, vor allem die Industrie rechnet mit Stellenabbau. Mehrheitlich wollen die Unternehmen ihre Personalstärke stabil halten, der Anteil der Betriebe, die mit mehr Beschäftigten planen, ist mit 17 Prozent deutlich in der Minderheit.

Internet-Tipp:

Alle Ergebnisse der Konjunkturumfrage der IHK Nord Westfalen mit Grafiken: www.ihk.de/nordwestfalen/konjunktur