Obwohl sie nie zusammen in einer Klasse waren, feiern sie regelmäßig ein Klassentreffen. Wie das sein kann? Für die Antwort muss man sich in eine graue Vorzeit zurückversetzen, kurz nach der schwärzesten Zeit Deutschlands. Eine (Rohr-)stock konservative Zeit, mit einigen Regelungen, die aus heutiger Zeit antiquiert erscheinen, wie im Gespräch schnell klar wird. Beispielsweise bei dem Satz: „Nein, natürlich nicht“, als Antwort auf die Frage, ob wirklich alle fast 150 Kinder in einer Klasse gewesen seien. Die Begründung: „Das waren doch Mädchen!“ – Der ältere Herr, der das ganz trocken sagt, lächelt verschmitzt, wartet einen Moment, damit die nächste Pointe noch mehr Sinn macht, und sagt dann: „Da waren ja auch noch die evangelischen!“ Gegen die hätten sie sogar Fußball gespielt, erzählt er weiter.
56 Jungs, 56 Mädchen und eine nicht mehr genau bekannte Zahl „evangelische“. Eingeschult im Jahr 1947, zu einer Zeit, als das damals Schulspeisung genannte Essen in der Schule noch auf einem Holzofen aufgewärmt wurde. Mit Holz, das die Kinder vorher noch aus dem Wald holen musstes. „Maissuppe“, lautet das Wort, bei dem einige Augenbrauen nach oben gehen. Der Geschmack klebe noch heute unter dem Gaumen, erinnern sich einige der 18 Frauen und Männer, die sich am Freitag auf dem Hof Lohmann in Freckenhorst trafen.
Erinnerungen gibt es viele, beispielsweise an die Kartoffelferien, in denen sie den Bauern beim Einholen der Kartoffelernte helfen musste. Auch für das Absammeln von Kartoffelkäfern waren seinerzeit Schulkinder zuständig, die damit halfen, die Ernten zu retten.
Genau 70 Jahre ist es her, dass sie ihre Schulen verließen. Die Jungs die Volksschule an der Warendorfer Straße, wo heute Kinder die Wichtelhöhle besuchen. Die Schule der Mädchen sei an der Kirche gewesen, erinnern sie sich und die „evangelischen“ seien in einem Gebäude unterrichtet worden, wo bis jüngst die Sparkasse ihren Sitz hatte. Zusammen gewesen seien sie nie. Aber in späteren Jahren habe es immerhin eine Ehe zwischen Damaligen gegeben.
Das Klassentreffen am Freitag war das mittlerweile vierzehnte. Seit 2019 treffen sie sich jetzt jährlich, denn die Zahl der Teilnehmer werde aus offensichtlichen Gründen immer geringer. Nur sechs von ihnen wohnen noch in der Stiftsstadt, ergibt sich auf Nachfrage. Aber Pielepoggen, sagen sie stolz, seien sie alle.
Zur Schulentlassung 1954 hatten sich die damals ca. 14jährigen Mädchen extra fein gemacht.
Zum 14. Mal traf sich der Freckenhorster Entlassungsjahrgang 1954 am Freitag auf dem Hof Lohmann
Von den Jungen existiert zwar kein Entlassungsfoto, aber das Foto zur Kommunion zeigt alle damaligen Schüler
Fotos: Rieder / Privat