Aufgerüttelt durch pogromartige Ausschreitungen in Berlin im Jahr 1923 begann sich Döblin mit seiner jüdischen Herkunft zu beschäftigen und sich wie viele seiner Zeitgenossen für das sogenannte Ostjudentum zu interessieren. 1924 fuhr er im Auftrag der „Vossischen Zeitung“ von Berlin aus für etwa zwei Monate nach Polen und porträtierte die junge Republik mit ihrem damals noch blühenden jüdischen Leben. Vier Jahre vor dem Erscheinen seines berühmten Romans „Berlin Alexanderplatz“ nutzt Döblin bereits hier das Verfahren der montageartigen Zusammensetzung von historischen Exkursen und Statistiken mit aneinandergereihten alltäglichen Szenenfolgen und Reflektionen, um die Simultaneität des Geschehens auszudrücken. Durch die im Laufe der Reise bei Döblin aufkommende Vertrautheit mit dem anfänglich Fremden wächst auch die Faszination für ein Ostjudentum, das sich in seiner Ursprünglichkeit, seiner noch erhalten gebliebenen Lebendigkeit des Geistig-Religiösen, von dem assimilierten und vergleichsweise verwässerten Judentum des Westens wesentlich unterschied.
Döblins Bericht ist ein bewegendes Zeugnis aus der Zeit vor dem deutschen Überfall auf Polen. Sein Blick gilt dem polnischen Katholizismus, z.B. in der Krakauer Marienkirche, Sozialem und Materiellem wie in den Textilfabriken in Lodz oder den eindrucksvollen Naturerscheinungen in Posen.
Stephan Schäfer studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover sowie an der Bremer Hochschule für Künste. Zur Vermittlung von Literatur und klassischer Musik gründete er 2001 das „Kölner Künstler-Sekretariat“. Inzwischen wurden von ihm über 1000 Lesungen und Konzerte gestaltet und moderiert.
Neben Autorenportraits gilt hier seine besondere Leidenschaft historischen und zeitgenössischen Reisebeschreibungen. Mit Schwerpunkten auf Ländern, Städten und Regionen gastiert Stephan Schäfer bundesweit bei Literaturgesellschaften und auf Festivals, in Bibliotheken, Buchhandlungen und Museen.
Themen-Lesungen, speziell für die jeweilige Lokalität konzipiert, führen ihn an für Lesungen eher untypische Orte wie Bahnhöfe, Hotels oder Gärten. Im fruchtbaren Dialog von Texten und Tönen schließlich rundet die Zusammenarbeit mit ausgewählten Musikern das vielseitige Programmangebot von Stephan Schäfer ab.
Das Kulturreferat für Westpreußen, Posener Land und Mittelpolen lädt Sie herzlich zu einer literarisch wie historisch herausragenden Veranstaltung ein.
Am 21. November 2025 um 19.00 Uhr findet im Westpreußischen Landesmuseum eine Lesung aus Alfred Döblins Reise in Polen (1924) statt. Eintritt: 2,50 Euro.
Es liest Stephan Schäfer aus Köln.
Döblins Reportage entstand 1924 im Auftrag der „Vossischen Zeitung“ und dokumentiert eindrucksvoll das jüdische Leben in Polen vor der Shoah, gesellschaftliche und religiöse Realitäten in Städten wie Krakau, Lodz oder Posen sowie die politischen und kulturellen Strömungen der jungen Republik.Die Texte verbinden historische Exkurse, statistisches Material und alltägliche Beobachtungen in einer kraftvollen, modernen literarischen Montageform.


