O’zapft is! – Franz Wesselmann und Erwin Witulski verhinderten jahrzehntelang trockene Kehlen

Im Hauptberuf war Franz Wesselmann Tischler, Erwin Witulski erst Weber danach Schlosser. „Alles immer im Akkord“, erinnert er sich. Eine gute Übung für das, was die Beiden jahrelang, sogar jahrzehntelang, auf den Sassenberger und anderen Schützenfesten geleistet haben. „Von morgens um 9 bis zum nächsten Tag“, schätzen sie ihre damaligen Arbeitszeiten für 8 bis 10 D-Mark Stundenlohn rückblickend ein.

Wesselmann und Witulski haben Bier gezapft. Ein ums andere Glas, damit die Kehlen nicht trocken wurden. Was nach einem nicht versiegenden Brunnen steter flüssiger Freude klingt, war in Wirklichkeit ein Knochenjob, den sie mitunter mit Tricks etwas unterbrechen mussten. Dafür hatten sie in einem Fass immer einen „Degen“ stecken, der zum Anstich benötigt wird. Wird der gezogen, gibt es ein lautes, zischendes Geräusch, das den Umstehenden signalisiert, dass hier gerade Pause ist, weil das Fass gewechselt wird. In Wirklichkeit haben sie sich einfach nur mal kurz den Schweiß von der Stirn gewischt oder selbst am Bier genippt.

Denn Pausen waren knapp auf den Festen. Witulski nutzte sie 1971 um dem Vogel die Krone wegzuschießen. „Aus dem Bierstand raus, ran an den Schießstand und wieder zurück“, lacht er. Wesselmann ist sicher: „Wenn Sie Sassenberg regelrecht bestücken wollten, brauchten Sie 28 Personen“. „Die hatten damals auch noch eine ganz andere Kondition, ist sich Erwin Witulski sicher.

Die musste man auch haben. Nicht nur um über die Theke jenen Vögeln hinterher zu springen, die 15 Bier bestellten, aber stickum nur 10 bezahlten. Sondern allein schon wegen der anstrengenden Arbeit, in die oft auch die Ehefrauen des männlichen Servicepersonals eingebunden waren. Denn gegessen wurde auf den Schützenfest natürlich auch. Drinnen wurde aufwendig gekocht. In manchen Nächten war nach der Arbeit vor Erschöpfung erst mal eine Runde Heulen angesagt. Witulski hatte seine Tätigkeit weiland nur begonnen, weil seine Frau bei Börding war und Kräfte fehlten.

Je länger das Gespräch dauert, desto mehr Erinnerungen kommen hoch. An die Lederschürzen, die man damals trug. An jene Kunden, die nicht nur ungeduldig quengelten, sondern es durchaus auch übertrieben. „Das Glas ist gar nicht voll“, habe ihm einer vorgeworfen sagt Witulski. „Bei Freibier“, schüttelt er den Kopf. Seine Reaktion war für einen genervten Bierzapfer noch sehr serviceorientiert. „Gib her dein Glas“, hat er ihm gesagt und als er es hatte, angefügt „Kriegst gar nix!“

Das Bier stand so wie heute immer im Mittelpunkt der Schützenfeste. Longdrinks, heute ebenso total „in“ wie die „Shots“ gab es früher nicht. Das begann erst in den 1990ern. Den roten Aufgesetzten, der bis heute überlebt hat, gab es allerdings schon lange. Wein gab es früher auch und gibt es auch heute noch. Besonders zur Krönung wird seit langem Wein gereicht. „Früher gab’s zur Krönung Steinhäger“, weiß Wesselmann. Bis 1981, danach ein Jahr lang Sekt, jetzt eben Wein. Der Weinbrunnen ist allerdings nur noch ein Stück Erinnerung.

Franz Wesselmann ist 76, Erwin Witulski 86. Im Schützenverein sind sie gefühlt schon ewig, sicher beide mehr als 60 Jahre. „Seit 1965“, fällt Franz Wesselmann ein, der bereits zuvor, im Jahr 1961, sogar Kinderkönig gewesen war. „Mit Bärbel Maas“, sagt er schon bevor der Griff zum Handy geht, um dies vielleicht auf der Webseite zu recherchieren. Ernst Witulski war auf gar keinem Thron, sein Sohn war Kinderkönig. Heute genießen beide einfach nur dabei zu sein und mitzufeiern. Und wenn sie das Bier mal nicht schnell genug bekommen, haben sie sicher besser als viele andere Verständnis für die jetzigen Kolleginnen und Kollegen.

Greifen auch gerne mal zum Weinchen – Franz Wesselmann (links) und Erwin Witulski haben jahrzehntelang auf den Sassenberger und anderen Schützenfesten Bier gezapft

Foto: Rieder