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Rollstuhlbasketballer und PhysioVital-Patient Thorben Zell wechselt von Osnabrück nach Barcelona

Foto: SoleVital

Thorben Zell sitzt seit seiner Geburt im Rollstuhl. Basketball war schon immer seine Leidenschaft und soll nun ein bedeutender Teil seiner Zukunft in Barcelona sein

Blitzschnelle Ballwechsel, lautstarke Gespräche im Team, ein Korbleger folgt auf den anderen. Im RSC Osnabrück wird mehrmals die Woche verteidigt, gedribbelt und geworfen was das Zeug hält. Auf den ersten Blick scheint es sich hierbei um gewöhnliches Basketballtraining zu handeln – die gleichen Regeln gelten zumindest in der Halle – aber ganz so alltäglich geht es beim Training von Thorben Zell und seinen Teamkolleg* innen dann doch nicht zu.
Die Spieler* innen bewegen sich nämlich alle auf Rädern fort. Genau genommen sind es fünf Sportler* innen pro Mannschaft die das Basketballspiel im Sitzen beherrschen und dabei ihre Geschicklichkeit im Rollstuhl unter Beweis stellen. Das besondere beim Rollstuhlbasketball ist, dass hier nicht nur geschlechter- und altersübergreifend trainiert wird, sondern das hier auch die Nicht-Behinderten bei den Behinderten inkludiert werden. Fußgänger, die oftmals alters- oder verletzungsbedingt eingeschränkt sind, können im Rollstuhl spielen und so Teil einer Rollstuhlbasketballmannschaft werden.

Für Thorben Zell ist das Basketballtraining Teil seines Alltags. „Basketball war schon immer mein Leben“, erzählt er strahlend, „von klein auf habe ich mit meinen Kumpels Bälle geworfen. Und manchmal haben wir dafür sogar die Schule geschwänzt.“ Wie sein Leben ohne den Rollstuhl war, daran hat er keine Erinnerung. „So lange ich denken kann sitze ich im Rollstuhl und habe mir das fahren, so wie andere laufen lernen, selber beigebracht“, erinnert sich der 33- Jährige.
Und das Thorben mit dem Rollstuhl nicht nur in der Halle, sondern auch im Alltag gut zurecht kommt beweist er täglich aufs Neue. Wenn sich am Freitagnachmittag die Türen des Linienbusses aus Osnabrück an der Haltestelle vor dem Bad Laerer Kurmittelhaus öffnen, dann sieht man „Zelli“, wie er an der Rezeption im SoleVital gut und gerne mal beim Spitznamen genannt wird, über den Parkplatz in Richtung Haupteingang rollen. Die Begrüßung an der Rezeption ist freundschaftlich. Der Kontakt zu seinem Therapeut*innenteam, bestehend aus den leitenden Physiotherapeuten Peter Krämer und seiner Kollegin Anna Rahmeyer, herzlich.
„Heute steht zunächst die Therapie im Behandlungsraum auf dem Plan,“ erklärt Anne Rahmeyer und winkt ihren Patienten ins Behandlungszimmer durch, „später geht’s dann noch ins Wasser!“

Das Thorben vor rund anderthalb Jahren den Weg von Osnabrück ins SoleVital gefunden hat, bezeichnet er heute als sein großes Glück. „Ich hatte bereits einiges an Therapien hinter mir,“ erzählt er während seine Therapeutin sich zu ihm auf die Behandlungsliege setzt, sein linkes Bein mit Bedacht anhebt und vorsichtig beugt, „letztendlich gab eine Reha in Bad Oeynhausen den Ausschlag dafür, dass ich mir eine neue Praxis gesucht habe.“ Eine Kombination aus Krankengymnastik und Bewegungsbad stand auf dem anfänglichen Behandlungsplan der verschreibenden Ärzt*innen.
Peter Krämer, examinierter Physiotherapeut mit diversen Fortbildungen im Bereich Neurologie übernahm den neuen Patienten und schlug Zell nach ein paar gemeinsamen Therapieeinheiten einen neuen Ansatz vor. Durch gezielte manuelle Techniken sollten die Spastiken in den Beinen des Patienten gezielt gelöst und die Muskelarbeit, wie auch die Ansteuerung der Beinmuskeln durch eine auf ihn angepasste Bewegungstherapie im Wasser verbessert werden. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten – mittlerweile ist nach rund anderthalb Jahren hartem Training das Ergebnis sichtbar und der Patient kann seine Beine mit Hilfe der Therapeut* innen nicht nur krümmen, sondern sogar anwinkeln. „Ich habe mich im SoleVital von Beginn an wohlgefühlt“, erzählt der junge Mann, „Anna und Peter haben einen mega Job gemacht und mein Leben hat sich durch den Therapiefortschritt stark verändert.“ Auch wenn er außerhalb der Behandlungen mal ein Anliegen hatte, seien die beiden immer für ihn erreichbar gewesen. „Ich habe den beiden hier so viel zu verdanken und kann nur 1000-mal Danke sagen! Ich kann gar nicht so viele Süßigkeiten für das Team mitbringen, um zu zeigen wie dankbar ich bin!“, fügt er dann schmunzelnd hinzu.
Wie anstrengend die Therapie für Thorben ist, zeigt sich in diesem Moment. Die Unterhaltung zwischen den beiden stockt. „Da musst du durch, sonst wird es nicht besser,“ motiviert ihn Anna Rahmeyer augenzwinkernd, aber bestimmt. Kurz darauf senkt sie zusammen mit ihrem Patienten das angewinkelte Bein kontrolliert wieder ab. Die Spastiken im Bein und auch die Anstrengung in Thorbens Gesicht sind deutlich zu erkennen.

Es klopft und die Tür des Behandlungszimnmers öffnet sich. Peter Krämer betritt den Raum und erkundigt sich bei Thorben nach seinem Befinden – zuletzt gab es ein paar Beschwerden an der Achillessehne. Gemeinsam mit dem Patienten beschließen die erfahrenen Therapeut*innen für ein paar Tage Tapes anzubringen und die Therapie im Wasser in den nächsten Wochen entsprechend anzupassen. In der Bad Laerer Sole sind durch den Auftrieb und das geringere Körpergewicht für Thorben Zell gezielte Geh- und Stehbewegungen möglich. Das hier bereits Muskulatur aufgebaut und deutliche Fortschritte zu sehen sind, lässt sich im direkten Vergleich zu Thorbens ersten Aufenthalt im Wasser verdeutlichen. „Während man mir vor anderthalb Jahren mit vier Personen aus dem Wasser geholfen hat, geht das jetzt nur mit der Hilfe des behandelnden Therapeuten,“ berichtet er stolz.

Einmal in der Woche kommt der Basketballspieler zur Doppeltherapie ins SoleVital, darüber hinaus geht er wöchentlich zur Ergotherapie. Die Kombination dieser Therapieansätze hat ihren Beitrag zum Behandlungserfolg in den vergangenen Jahren geleistet, da ist sich Zell sicher.
Von einem Erfolg kann Thorben auch im Hinblick auf seine sportliche Karriere sprechen. „Als mir gesteckt wurde, dass bei unseren Spielen und später auch beim Training Scouts von größeren Vereinen zugegen waren dachte ich mir, was soll da schon kommen. Rückblickend gesehen war es vielleicht Fügung!“, erklärt der gebürtige Osnabrücker. Auf Einladung eines Scouts flog er zum Probetraining nach Barcelona. „Das war der erste Urlaub meines Lebens, meine erste Auslandsreise und die wurde gekrönt von einem erfolgreichen Probetraining.“ Und – das Glück in der Liebe habe er während seines 10-tägigen Aufenthaltes auch gefunden, berichtet er freudig.
Der Profivertrag in Barcelona ist mittlerweile unterzeichnet, die ersten Trikots mit seiner neuen Rückennummer sind gedruckt, eine Wohnung besorgt und der Umzug ist mit Blick aufs anstehende Trainingslager für Ende Juni/Anfang Juli geplant.

Dass sein Sport im Ausland eine so viel größere Reichweite als in seiner Heimat hat, stimmt Zell etwas nachdenklich. „Es ist schade das Rollstuhlbasketball im Behindertensportbereich in Deutschland nur ein Nischenbereich ist“, erklärt er. Für ihn heißt es jetzt: rein in den Leistungssport. Mindestens viermal wöchentlich Training, dazu wöchentliche Spiele und natürlich auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko, denn trotz spezieller Rollstühle mit Kippschutz ist Rollstuhlbasketball ein gefährlicher und körperlicher Sport. Auf die Frage ob er sich schon ernsthaft verletzt hat, antwortet Zell trocken: „Muskelabriss in der Schulter.“

Das Thorben Zell in dieser Sportart seine Leidenschaft gefunden hat merkt man auf Anhieb. „Auf dem Feld fühle ich mich einfach gut! Basketball macht mich High!“ erklärt er. Einzig, dass sein Pflegevater seinen heutigen Erfolg nicht mehr miterleben kann stimmt ihn etwas traurig. „Mein Pflegevater hat mich immer gefördert – er war immer dabei! Auch wenn ich jetzt rückblickend weiß, dass ich es meinen Pflegeeltern nicht immer leicht gemacht habe, weiß ich was ich ihnen zu verdanken habe.“ Auch der Tod seines guten Freundes im vergangenen Jahr stimmt ihn nachdenklich. „Trotzdem habe ich mich davon nicht runterziehen lassen, sondern mir gesagt, dass ich nicht aufgeben darf. Denn das Leben geht weiter!“. Die beiden, sein Pflegevater und sein Freund – dessen Rückennummer er nun auf seinem Trikot in Barcelona tragen wird, werden seinen Einstieg in den professionellen Basketball vom Himmel aus beobachten und ihn von dort aus anfeuern, da ist er sich sicher. Und auch den irdischen Beistand aus dem Bad Laerer Kurmittelhaus wird er sicherlich auch in Zukunft haben.

Foto: SoleVital