Weibliche Erbfolge: Die besondere Geschichte der Müllerinnen Christine und Angela Terfloth machen Telgte zum FrauenOrt.
Mit dem Projekt FrauenOrte NRW würdigt der FrauenRat NRW e.V. an 52 Orten besondere Frauenpersönlichkeiten aus über 1000 Jahren Geschichte. Zwei dieser Frauen lebten in Telgte: Christine und Angela Terfloth sorgten im 19. Jahrhundert dafür, dass die Mühle am Bernsmeyerhaus für 70 Jahre in weiblichem Familienbesitz blieb. Sie setzten ausschließlich Töchter und Nichten als Erbinnen ein. Im Mai wird ihnen zu Ehren eine Infotafel am Bernsmeyerhaus angebracht.
Dr. Stefanie Reitzig, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Telgte, und Gaby Fartmann, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte und Mitwirkende im Verein Kulturelle e.V., sind glücklich, dass ihr Antrag vom FrauenRat angenommen wurde. „Telgte darf sich nun FrauenOrt nennen“, sagt Reitzig. „Das ist gut für die Stadt und für die Geschichte dieser Frauen, die nun gewürdigt wird.“
Der auf Kreisebene tätige Verein Kulturelle e.V. recherchiert bereits seit Jahren über besondere Frauen und Orte im Kreis Warendorf. So war es nur folgerichtig, dass sich Fartmann und Reitzig für das Projekt der FrauenOrte NRW zusammengeschlossen haben.
Fartmann und Reitzig recherchierten selbst im Kreisarchiv und im Bistumsarchiv Münster, konnten aber auch auf Recherchen des Arbeitskreises „Wir Frauen in Telgte“ und der ehemaligen Stadtarchivarin Julia Plötzgen, des Heimatvereins und auf Unterlagen aus dem Museum Religio zurückgreifen. „Wir sind stolz, dass es ‚unsere‘ Frauen geschafft haben und sie nun auf einer Gedenktafel verewigt werden“ sagt Reitzig.
Die außergewöhnliche Geschichte der Terfloth-Frauen begann im Jahr 1833. Christine Terfloth war Witwe geworden und schloss 1938 die Kaufverhandlungen um die Emsmühlen ab, die sie als neue Besitzerin hervorgingen ließen. Die kluge Frau und Mutter legte nun in ihren Testamenten eine weibliche Erbfolge über mehrere Generationen fest, die bald drei unverheiratete Töchter zu neuen Mühlenbesitzerinnen machte. „Das ist schon außergewöhnlich und stark in dieser Zeit eine weibliche Erbfolge zu bestimmen“, sagt Fartmann.
Angela Terfloth überlebte ihre Schwestern um 20 Jahre und führte als Mühlenunternehmerin mit mehreren Modernisierungen im Jahr 1860 das Familienunternehmen zum Höhepunkt der wirtschaftlichen Kraft. Sie war Hüterin des Familieneigentums. Neben den Mühlen gehörten auch Wohnhäuser und landwirtschaftliche Flächen zum Erbe.
Als „Tante Engel“ war sie zudem Versorgerin unverheirateter Familienangehöriger und gemeinsam mit ihren Schwestern auch eine Wohltäterin in Telgte. Über siebzig Jahre blieben die Telgter Emsmühlen in Frauenhand, bis sie 1908 insolvent gingen.
Der FrauenOrt Telgte mit der Gedenktafel soll Mitte Mai eröffnet werden. Dazu wird auch der FrauenRat NRW e.V., Trägerin des Projekts und ein Zusammenschluss aus rund 50 Frauenverbänden und -gruppen gemischter Verbände, mit einer Vertreterin präsent sein. Die Förderung kommt vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Schirmpatin ist NRW-Gleichstellungsministerin Josefine Paul. Die insgesamt 52 FrauenOrte aus NRW – darunter Telgte und Ahlen aus dem Kreis Warendorf – werden nun in einer touristischen Route zusammengeschlossen.
v.l.: Telgtes Gleichstellungsbeauftragte Dr. Stefanie Reitzig und die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Gaby Fartmann auf der Brücke am Bernsmeyerhaus. Hier betrieben die Terfloth-Frauen einst ihre Mühle.
Foto (©Stadt Telgte)