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Vielschichtiges im Verborgenen: LWL erklärt alte Synagoge in Telgte zum Denkmal des Monats

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Telgte (lwl). Die alte Synagoge in Telgte (Kreis Warendorf) ist das Denkmal des Monats August. Das Gebäude, das im Lauf der Jahrhunderte wechselnden Nutzungen diente, wurde erst vor kurzem vor dem schleichenden Verfall bewahrt. Deshalb hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das Gebäude jetzt als Denkmal des Monats ausgezeichnet.

Unmittelbar nach dem Stadtbrand von 1499 entstand zwischen Marktplatz, Ems- und Steinstraße ein zweigeschossiger Speicher mit hoch aufragendem Satteldach. Dass er heute noch steht, ist eine kleine Sensation, wie LWL-Denkmalpfleger Dr. Christian Steinmeier erläutert: „Das kleine Fachwerkgebäude zählt zu einem Typus, der heute selbst in den historischen Stadtkernen Westfalens kaum noch zu finden ist. Die einst auch zum bürgerlichen Leben gehörenden zahlreichen Wirtschaftsgebäude sind mittlerweile fast ausnahmslos verschwunden.“

Doch der äußerlich unscheinbare Speicher hat eine besondere Geschichte: „Schon im 16. Jahrhundert siedelten sich in Telgte Juden an“, so Steinmeier. „Als sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen Raum für den Gottesdienst suchten, fiel die Wahl auf den kleinen Speicher. Die ihn umgebenden Häuser waren in jüdischem Besitz. Auch die versteckte Lage sprach für eine Umnutzung, denn der Gottesdienst durfte zu dieser Zeit nur im Verborgenen stattfinden.“

Die notwendigen Veränderungen nahmen die Gemeindemitglieder mit einfachsten Mitteln vor: Sie verlängerten das Gebäude wurde um etwa drei Meter und entfernten eine Zwischendecke. Der neu geschaffene Gebetsraum erhielt ein flaches hölzernes Tonnengewölbe und eine Frauenempore mit separatem Eingang. Der Toraschrein fand in einer nach außen gestülpten Nische Platz, das Lesepult (Bima) im Zentrum des durch vier große Fenster belichteten Raumes. „Heute ist dieser in seinen wesentlichen Bestandteilen überlieferte Bau die älteste im Inneren noch räumlich erfahrbare Synagoge Westfalens“, betont Denkmalpfleger Steinmeier.

Als Ort des Gebets, des Lernens und des Versammelns diente der kleine Bau bis zur Eröffnung einer neuen, nun öffentlich sichtbaren Synagoge an der Königstraße im Jahr 1875. Der ehemalige Speicher blieb in jüdischem Besitz und wurde fortan als koscheres Schlachthaus genutzt. „Einige Jahrzehnte später scheint die einstige Gottesdienstnutzung bereits in Vergessenheit geraten zu sein, denn von der Zerstörungswut der Novemberpogrome von 1938 blieb der Fachwerkbau im Gegensatz zur neuen Synagoge verschont“, sagt Steinmeier. „Der jüdische Besitzer Jakob Auerbach sah sich noch im gleichen Jahr dazu gezwungen, sein Eigentum aufzugeben.“
Das Gebäude wurde fortan als Abstellraum genutzt.
Erhaltungsmaßnahmen beschränkten sich auf das Notwendigste, konnten einen schleichenden Niedergang aber nicht stoppen. Als sich Anfang der 1980er-Jahre Schüler der örtlichen Realschule mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung Telgtes zwischen 1933 und 1945 befassten, rückte auch die ehemalige Synagoge ins Blickfeld der Öffentlichkeit. 1992 wurde sie in die städtische Denkmalliste aufgenommen.

„Es sollten jedoch noch drei Jahrzehnte ins Land gehen, bis mit der Instandsetzung des mittlerweile in vielen Bereichen gefährdeten Gebäudes begonnen wurde“, erinnert sich Steinmeier. „Mit Unterstützung des Bundes, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Kreises Warendorf, der Stadt Telgte und des LWL hat die engagierte Eigentümerin in den Jahren 2022 und 2023 behutsame Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten mit hohem denkmalpflegerischen Anspruch durchführen lassen. Hierbei wurden die verschiedenen Bauphasen respektiert, sodass die Veränderungsgeschichte des Gebäudes vom Speicher bis zum Abstellraum substantiell ablesbar bleibt. Gleichzeitig konnte die Zeitschicht ‚Synagoge‘ anschaulicher gemacht werden.“

Das noch immer verborgen auf einem Innenhof stehende Gebäude soll der Öffentlichkeit zukünftig anlassbezogen zugänglich gemacht werden.

Hintergrund
Nur ein Mitglied der sechsköpfigen Familie Auerbach überlebte den Holocaust. Weitere Informationen sind auf der Homepage des Vereins „Erinnerung und Mahnung – Verein zur Förderung des Andenkens an die Juden in Telgte e. V.“ unter folgender Adresse abrufbar: https://www.erinnerung-und-mahnung.de/familie-jakob-auerbach
Am Tag des offenen Denkmals (10.9.) sind von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr halbstündliche offene Führungen in der Alten Synagoge in Telgte geplant.

Foto: LWL