„Vor 81 Jahren – Die Deportationen der münsterländischen Juden nach Riga“, so lautet der Vortrag von Angelika Sturm, den sie am 2. Dezember 2022 im Mariengymnasium Warendorf als Veranstaltung im Leistungskurs Geschichte Q2 des Mariengymnasiums Warendorf gehalten hat.
„Nach zweitägiger Fahrt in einem ungeheizten Zug kamen wir auf dem Verladebahnhof in Riga an. Wir mußten aber noch die ganze Nacht im Zug bleiben. Am anderen Morgen, als es hell wurde, sahen wir ringsum hohen Schnee. Wir merkten, daß wir im Osten waren, denn die strenge Kälte machte sich bemerkbar. Etwas später kam die SS mit Gummiknüppeln und trieb uns aus dem Zug. So hatten wir gleich einen schönen Empfang und einen kleinen Vorgeschmack für unser künftiges Leben.“
Irmgard Heimbach verh. Ohl: Als Jugendliche im KZ. Erinnerungen an Riga, 1997
Im November jeden Jahres wird an die unheilvollen Ereignisse erinnert, die Menschen jüdischen Glaubens in Europa während des nationalsozialistischen Terrorregimes erleiden mussten. 2022 jähren sich zum 81. Mal die Deportationen in die von den Nationalsozialisten eingerichteten Ghettos, Arbeits- sowie Vernichtungslager und somit auch der Beginn des damit verbundenen Holocaust.
Die Deportation der Juden aus dem Münsterland ist insbesondere mit einem Ort verbunden, dem heute nicht mehr existierenden Gertrudenhof auf der Warendorfer Straße, Ecke Kaiser-Wilhelm-Ring in Münster. Zuvor war der Gertrudenhof eine beliebte Lokalität mit einem Biergarten, in deren Räumlichkeiten sich unter anderem ein Kino befand. Am 11. Dezember 1941 von der Gestapo beschlagnahmt, wurde er zum Sammelpunkt für die Deportationen in Richtung Osten. Am 13. Dezember 1941 fuhr der erste verschlossene Personenzug der Deutschen Reichsbahn vom Güterbahnhof mit 390 Menschen und Zwischenhalten in Osnabrück und Bielefeld mit der Aufnahme weiterer 641 Personen. Wenige Tage später erreichte der Zug Riga im besetzten Lettland.
Fortan mussten die Deportierten unter menschenverachtenden Umständen im heruntergekommenen Stadtteil „Moskauer Vorstadt“ leben, in dem die SS das Ghetto errichtet hatte.
Ab Dezember 1941 wurden etwa 25.000 österreichische, tschechische und deutsche Juden in das Ghetto gebracht, tausende von ihnen fanden Anfang 1942 den Tod im Wald von Bikernieki. Bis zur Liquidierung des Ghettos im November 1943 mussten 12.000 Menschen Zwangsarbeit leisten. Von den insgesamt 1.031 Personen des Transports vom 13. Dezember 1941 aus Westfalen überlebten lediglich 102 Männer und Frauen.
Angelika Sturm vom Arbeitskreis Jüdisches Leben in Warendorf und freie Führungsmitarbeiterin im Westpreußischen Landesmuseum, wird in ihrem Vortrag die Geschichte der Deportation der münsterländischen Juden nach Riga beleuchten, von ihren Reisen dorthin und ihren Eindrücken bei den Besuchen der Gedenkstätten vor Ort berichten. Abschließend wird sie auf die Lebensgeschichte der in Osnabrück geborenen Jüdin Irmgard Heimbach verh. Ohl (1927-2013) eingehen, mit der sie zeitlebens freundschaftlich verbunden war. Ohl überlebte die Geschehnisse in Riga und Stutthof und konnte nach Jahren der Verfolgung in ihre Heimatgemeinde Laer zurückkehren. Ihre Erinnerungen an diese Zeit hat sie schriftlich festgehalten, die Angelika Sturm in ausgewählten Passagen vorlesen wird.
Der Vortrag findet als Zusammenarbeit des Kulturreferates für Westpreußen, Posener Land und Mittelpolen mit dem Mariengymnasium Warendorf statt, organisiert von der Kulturreferentin Magdalena Oxfort und der Geschichtslehrerin Stephanie Taube.
Gedenktafel an der Stelle des ehemaligen Gertrudenhofs in Münster.
Foto: Kulturreferat für Westpreußen, Posener Land und Mittelpolen