Die Notaufnahme eines Krankenhauses stellt man sich als Laie im Prinzip so vor, wie man sie aus dem Fernsehen kennt: Massenweise Verletzte, große Hektik, spektakuläre Lebensrettung und allgegenwärtig das Piepen der Herz-Kreislaufmonitore. Mittendrin irgendwo George Clooney.
Die Realität ist anders, aber mitunter nicht weniger dramatisch. Der Rettungsdienst hat einen Patienten angekündigt, Verkehrsunfall, Brüche, Blutungen und vermutlich innere Verletzungen. Augenscheinlich aber jung und kreislaufstabil. Im Schockraum steht das mehrköpfige Team bereit. Dr. Tim Kleffner, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme (ZNA) gibt ruhig und konzentriert Anweisungen, fragt diverse Informationen ab. Als der Rettungsdienst den Patienten hereinbringt, erfolgt eine dezidierte Übergabe. Viel langsamer und präziser als im TV – hier muss keine künstliche Spannung aufgebaut werden, denn alle sind gespannt. Jede und jeder weiß, was zu tun ist. Die Kommandos schwirren durch die Luft, überall Hände, jeder Griff sitzt. Der Patient schreit kurz laut auf – und Landrat Dr. Olaf Gericke hebt die Augenbrauen.
Im Ernstfall würde er nicht als Beobachter hier in einem der beiden großen Schockräume der ZNA stehen. Doch der heutige „Ernstfall“ wurde extra für ihn und die Presse vorbereitet. Der Grund ist eine besonders erfreuliche Nachricht für das Josephs-Hospital, den Landrat und die Menschen der Region: Am 21. März erhielt das Warendorfer Josephs-Hospital von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie die Zertifizierung als „Regionales TraumaZentrum“. Dieser, nennen wir es „Aufstieg“ vom lokalen Traumazentrum, weist das Warendorfer Krankenhaus als qualifiziert aus, diejenigen Schwerverletzten zu versorgen, die keiner Maximalversorgung bedürfen, wie beispielsweise wegen notwendiger neurochirurgischer Behandlung. Damit ist das Josephs-Hospital ist das erste und einzige regionale Traumazentrum im Kreis. Ein Blick auf die Verteilung der nächstgelegenen überregionalen Traumazentren unterstreicht, welche große Bedeutung diese Zertifizierung hat. Denn bislang war der Rettungsdienst angewiesen, Schwerverletzte nach Münster, Bielefeld oder Osnabrück bringen.
Das wird sich nun ändern, wie Dr. Kleffner und der Ärztliche Direktor Dr. Timm Schlummer berichten. Sogar Schwerstverletzte die einer Maximalversorgung bedürfen, können hier vor dem Weitertransport erstversorgt werden. Salopp gesagt: Das Josephs-Hospital wird öfter als zuvor mit Blaulicht angesteuert werden, und auch der Rettungshubschrauber könnte nun öfter hier landen. Vorstandsvorsitzender Peter Goerdeler brachte es auf den Punkt: „Wir sind damit das Unfallkrankenhaus im Kreis Warendorf“, sagte er.
Eine gute Entwicklung, wie alle Verantwortlichen unterstreichen. Landrat Dr. Gericke hatte bereits bei verschiedenen Gelegenheiten die großen Entfernungen als Schwäche des ländlichen Raumes betont, beispielsweise als es um die Notwendigkeit der (im Jahr 2020 endlich eingerichteten) speziellen Stroke-Unit, der Schlaganfallabteilung, ging. Die Patienten nun wesentlich schneller in hochkompetente und technisch bestens ausgestattete Behandlung geben zu können, diene der Gesundheit und der Sicherheit der Bürger. „Alles, was wir an gut funktionierender Infrastruktur hier vor Ort haben, ist besser als ein Transport zu einem weiter entfernten Krankenhaus“, sagte der Landrat, der vor der Übung im Schockraum noch eine Führung durch die ZNA erhalten hatte.
Wäre Jason Middendorf, der „Verletzte“ aus der Übung, ernsthaft verletzt gewesen, hätte er diese hochkompetente Behandlung hier erhalten. Die Thorax-Drainage war schnell gesetzt und die Basisuntersuchung zur Diagnostik ebenso schnell und zielsicher erledigt. Brüche am Becken und am Unterschenkel, zudem eine gerissene Milz, hätten den jungen Mann in den OP geführt. So konnte er, nachdem die Demonstration mit einem echt wirkenden Transport Richtung Röntgenabteilung und Operationssaal beendet war, mit einem Lächeln die angeklebten Schläuche und Elektroden entfernen, und sich mit dem gesamtem Team am Applaus der Umstehenden erfreuen, denn es war ein grandios echt wirkendes Schauspiel. Nur George Clooney war nicht dabei.
Landrat Dr. Olaf Gericke (re.) erhielt von Dr. Tim Kleffner und dessen Team vor der Übung noch eine informative Führung durch die Zentrale Notaufnahme (ZNA)
Selbst der Transport mit dem RTW wirkte echt
Konzentrierte, sachliche Übergabe des Patienten vom Rettungsdienst an das Team der ZNA
Wie im Fernsehen: Auf 3: Eins – zwei – drei
Der Ultraschall zeigt im Bereich der Lunge keine Auffälligkeiten, aber die Milz könnte angerissen sein
„Patient“ Jason Middendorf und seine Behandler betrachten interessiert die (guten) Werte auf dem Monitor
Doris Kaiser (Kuratorin), Peter Goerdeler (Vorstandsvorsitzender), Dr. Tim Kleffner (Chefarzt Zentrale Notaufnahme), Dr. Timm Schlummer (Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Orthopädie & Unfallchirurgie) sowie Landrat Dr. Olaf Gericke freuen sich für die Region über die Zertifizierung als „Regionales TraumaZentrum“. (v.li.)
(Fotos: Rieder)