MGW. Nachweislich sechs Mitarbeiter der Staatssicherheit überwachten Heinz Gunkel über mehrere Jahre, dokumentierten alles in der Akte zur „Operativen Personenkontrolle“: „Aktive […] Untergrabung der staatlichen Autorität… bestehende Ansatzpunkte für eine negative Einstellung zur sozialistischen Staats-, und Gesellschaftspolitik“. Aus heutiger Perspektive ehrt die Stasi unbeabsichtigt den ehemaligen Pfarrer aus dem Sperrgebiet als Widerständler.
Mittlerweile trägt „der G.“ – wie es in der Stasi-Akte steht – den vom Papst verliehenen Ehrentitel „Monsignore“ und lebt in Everswinkel. Im Rahmen eines Zeitzeugengespräches berichtete Heinz Gunkel den Schülerinnen und Schülern des 9er-Differenzierungskurses Geschichte/Politik von den wenigen Möglichkeiten in der DDR, sich überhaupt zu widersetzen, den damit verbundenen Gefahren, wie er es schaffte, die Diktatur zu überleben und trotz des Unrechtsregimes die Flucht nie eine Option für ihn war.
Getragen von der Überzeugung, Diktaturen überdauern nicht ewig, lernte Heinz Gunkel über die Jahre, die Grenzen des Möglichen auszutesten, sich immer so auszudrücken, dass mehrere, nicht zwangsläufig ideologiefeindliche Deutungen möglich seien. Manches Mal erforderten Rechtfertigungen seinerseits Kreativität oder gar eine Notlüge.
Der Überwachung durch die Staatssicherheit war sich der katholische Pfarrer bewusst. Wenn es im Telefonhörer knackte, rief er auch mal hinein: „Banditen! Wenn ihr was von mir wissen wollt, dann sprecht doch mit mir!“ Trotz der damals sehr hohen Spitzel-Dichte in der Bevölkerung hatte Heinz Gunkel immer das Glück, Leuten vertrauen zu können – allen voran seinen ehemaligen Mitschülern, die ihn als Aufrührer eines Verweigerungsprotests in der Schule nie verpfiffen.
Auch wenn immer wieder Mitglieder seiner Gemeinde flohen, war die Flucht für Heinz Gunkel selbst nie ein Thema. Nicht zuletzt die Verantwortung für diejenigen, die blieben, hielt ihn davon ab. Verantwortung übernahm Gunkel dann auch nach der Wende. Mit Genehmigung des Bischofs amtierte der Pfarrer als Bürgermeister, erlebte und gestaltete die neue Demokratie, die er lange ersehnt und fortan erleben durfte.
Den MGW-Schülerinnen und -Schülern gab er noch mit auf dem Weg, ihre Verantwortung und Chance in der Mitgestaltung der Demokratie wahrzunehmen.
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