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„Wertewoche“ zur politischen Bildung am Paul-Spiegel-Berufskolleg

Schülerinnen und Schüler setzten sich mit Widerstand, Unterdrückung und Fluchtmigration auseinander.

Das Gedenken an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 war am Paul-Spiegel-Berufskolleg Anlass zu einer „Wertewoche“ mit Veranstaltungen zur politischen Bildung außerhalb des regulären Unterrichts. 

Den Auftakt machte ein Gastspiel der Kulturschule Leipzig. Die Ensembles der Einrichtung sind bundesweit unterwegs, um in Schulen zu spielen. Mit dem Stück „Stauffenberg“ beleuchtete das Theater die historische Person Claus Schenk Graf von Stauffenberg und das gescheiterte Attentat gegen Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Günther Frese (verantwortlich für Organisation und Schauspiel) ließ die Schülerinnen und Schüler mit seiner Darstellung der Figur in eindrucksvoller Weise an dessen Gedankenwelt, Handlungen und Schicksal teilhaben. In den Spielszenen übermittelte er Motive und Gewissensdilemmata von Stauffenbergs in dessen widerstreitenden Rollen als hochrangigem Offizier der deutschen Wehrmacht einerseits und zentralem Mitglied einer bedeutenden Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus andrerseits. Daniela Frese (Regie und Schauspiel) erklärte in ihrer Rolle als Moderatorin den geschichtlichen Kontext zum besseren Verständnis des Stücks. Eingespielte historische Original-Audioaufnahmen, z.B. von Soldatenvereidigungen und Ansprachen Adolf Hitlers, verliehen der Inszenierung einen besonderen Nachdruck. Nach der Aufführung erläuterte Daniela Frese weitere Hintergründe, etwa die nachfolgende Rezeption des Attentats in der Bundesrepublik, und spannte den Bogen hin zum heutigen politisch-gesellschaftlichen Diskurs über Demokratie, Meinungsfreiheit und Respekt. Als Ergänzung zur Thematik des Theaterstückes konnten Schülerinnen und Schüler mit VR-Brillen, vom Medienzentrum des Kreises Warendorf zur Verfügung gestellt, einen 3D-Rundgang durch das Anne-Frank-Haus in Amsterdam machen.

Die Unterdrückung von Freiheit und Menschenrechten in der Gegenwart stand im Fokus eines Vortrages von Haiyuer Kurban. Der Referent gehört der Volksgruppe der Uiguren an. Er verließ vor 20 Jahren seine Heimatregion Ost-Turkestan (China), um zum Studium nach Deutschland zu gehen. „Hier habe ich eine ganz andere Welt kennengelernt“, so Kurban, „denn in Deutschland darf man die Regierung kritisieren.“ Aufgewachsen und erzogen in einem autokratischen System habe er gelernt, sowohl im privaten wie im öffentlichen Rahmen sehr genau darauf zu achten, was man sagt. Nach langen Jahren ehrenamtlichen Engagements ist Haiyuer Kurban inzwischen hauptamtlicher Büroleiter der Organisation Weltkongress der Uiguren e.V., die sich für die Interessen der Uiguren einsetzt. Er gewann die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler mit vielen Details zu seiner persönlichen Lebensgeschichte „mit furchterregendenen Erfahrungen“ und zur Situation der Uiguren. Kurban berichtete von chinesischen Internierungslagern, in denen Uiguren zur Umerziehung und Zwangsarbeit gefangen gehalten würden. Die Produktion von billigen Konsumgütern aus China müsse auch in Verbindung mit diesen Internierungslagern gesehen werden. 

Zum Thema „Flucht“ nahmen Schülerinnen und Schüler an einem Workshop der Organisation HÁWAR teil. Projektmanager Filipo Steven Ferrara begleitete sie dabei, sich mithilfe multi-medialer Infomaterialien Ursachen, Hintergründe, Routen und globale Verflechtungen von Fluchtmigration zu erschließen und die Ergebnisse auszuwerten. Dabei ging es um die Situation von Menschen aus Syrien, Afghanistan, Venezuela und dem Irak. Eine intensive Gesprächsrunde mit der in Afghanistan geborenen Trina Mansoor beschloss den Workshop. Sie erzählte von ihrer eigenen bedrückenden Fluchtgeschichte als kleines Mädchen über Pakistan und die Niederlande bis zu ihrem heutigen Leben in Deutschland. Glaubhaft und berührend vermittelte sie ihr besonderes Engagement für die Situation der Frauen in Afghanistan, die unter der Herrschaft der Taliban mehr und mehr entrechtet würden. Zum Schluss lautete ihr Appell an die Schülerinnen und Schüler zu der Frage, was Jugendliche gegen Fremdenfeindlichkeit tun könnten: „Redet miteinander! Bewahrt Vorsicht vor falschen Inhalten im Internet! Und bitte unbedingt lesen, um sich zu informieren und kritisches Denken zu entwickeln.“ Eine Teilnehmerin des Workshops formulierte ihr Fazit so: „Es ist wichtig, auf die Situation der Menschen in ihren Herkunftsländern zu schauen, bevor man urteilt.“ 

Der Referent Haiyuer Kurban beim Vortrag zur Situation der Uiguren

Theateraufführung: Günther Frese spielte die Figur von Stauffenberg

 

Projektmanager Filippo Steven Ferrara und Trina Mansoor von der Organisation HÁWAR führten den Workshop zum Thema Fluchtmigration durch.

Fotos: PSBK