Warendorf. Der Islam ist seit ungefähr 50 Jahren in Deutschland präsent. Die Moschee ist seitdem mancherorts an die Seite der Kirche getreten. Trotzdem dürfte sie vielen weiterhin unbekannt sein. Zwei sechste Klassen des Mariengymnasiums besuchten jetzt die Warendorfer Moschee, um einen typischen muslimischen Gebetsraum kennen zu lernen.
Erst verhältnismäßig spät setzte der Bau von Moscheen im deutschen Kulturraum ein. 1732 ließ Friedrich Wilhelm I. von Preußen für 20 seiner türkischen Gardesoldaten einen Gebetssaal errichten. Großer Bedarf an Moscheen war in den deutschen Ländern offenbar für die nächsten zweihundert Jahre nicht vorhanden. Inzwischen dürfte die Zahl der islamischen Gotteshäuser in Deutschland aber in die Tausende gestiegen sein. De facto ist diese Zahl nicht belegt, was aber nicht heißt, dass die Menge der Moscheen in Deutschland unzählig wäre. Laut einer Schätzung der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom 24.6.2016 dürfte die Zahl 2750 betragen. Demgegenüber gebe es rund 45.000 christliche Gotteshäuser, hieß es, also sechzehnmal so viel. Die vorsichtige Schätzung der „Zeit“ zeigte, dass die Zahl der kleineren Moscheen, der Moscheen ohne Minarett und Kuppel, nicht bekannt ist. Eine solche Moschee ohne die typischen äußeren Merkmale befindet sich auch in Warendorf. Sie wurde vor 30 Jahren an der Wallpromenade eingerichtet und dient seitdem den Muslimen in Warendorf und Sassenberg als Gebetsraum. Zwei sechste Klassen des Mariengymnasiums besuchten jetzt diesen Gebetsraum, um sich ein genaueres Bild von dem Gebetsritus innerhalb einer Moschee zu verschaffen. Selahettin Zeylek, Imam der muslimischen Gemeinde, demonstrierte an mehreren Beispielen, wie im Islam das Gebet verrichtet wird. Der Tradition nach orientieren sich die Feste im Islam am Mondkalender, die täglichen fünfmaligen Gebete dagegen am Stand der Sonne. Das erste Gebet am Morgen erfolgt in der Morgendämmerung und soll vor dem Sonnenaufgang abgeschlossen worden sein. Der Imam, das Mikrofon in der Hand, demonstrierte den Schülern den typischen muslimischen Gebetsruf, der zu jeder Gebetszeit trotz gleicher Worte verschieden klingt. Veli Firtina, Vorsitzender des Warendorfer DITIB-Vorstandes, übersetzte die türkischen Ausführungen des Imam. Die Sechstklässler ließen sich die Gebetshaltungen anschaulich erklären: Vier von ihnen hoben und senkten nach dem Vorbild des Imam zur Probe die Rücken, sie blickten in Richtung Mekka. Am Ende gab es Gelegenheit, Fragen zu stellen und Eindrücke zu schildern. „Mir gefiel am besten, dass der Imam den Gebetsruf gesungen hat!“, hob die Schülerin Carolin Sallermann hervor. Dass die Religionen verschieden und doch in vielem gleich sein können, hat Lea Rathmer beeindruckt. Das Gespräch über den Islam soll im nächsten Schuljahr wieder aufgenommen werden.
Bericht von Gerold Paul / Foto Mariengymnasium Warendorf