Ansprache des Bürgermeisters Peter Horstmann zum Gedenken der Bürgerschützen Warendorf am Ehrenmal der Marienkirche

Zum heutigen Gedenken der Bürgerschützen Warendorf am Ehrenmal der Marienkirche hielt Bürgermeister Peter Horstmann folgende Ansprache:

„Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Bürgerschützenfamilie, sehr geehrte Damen und Herren!

Wir haben uns heute hier versammelt, um den Verstorbenen zu gedenken. Als Bürgermeister bin ich Ihnen, liebe Bürgerschützen, sehr dankbar, dass Sie trotz des abgesagten Bürgerschützenfestes an Ihrem Gedenken am Schützenfestmontag festhalten. Normalerweise hätten wir gestern den imposanten Zapfenstreich auf dem Marktplatz erleben dürfen und zu späterer Stunde würde heute mit dem Königsschießen ein Höhepunkt Ihres Schützenfestes gefeiert.

Normalerweise. Darüber sollten wir einen Moment gemeinsam nachdenken.

Denn was führt uns überhaupt dazu, inne zu halten und all derer zu gedenken, die wir verloren haben und die wir vermissen? Ein Grund dafür, weshalb wir als Menschen empfindsam und mitfühlend sind, ist unser Bewusstsein für Normalität, aber auch die bewusste Wahrnehmung ihres Verlusts. Tag für Tag sprechen wir ganz ohne Ängste mit unseren Liebsten, mit Freunden, Kolleginnen und Kollegen, mit flüchtigen Bekannten. Wir sagen „Bis morgen“, „Bis bald“, „Auf Wiedersehen“. Wir verabreden uns und schmieden gemeinsame Pläne. So gut wie nie denken wir ernsthaft daran, dass dies die letzten Worte sein könnten, die wir miteinander gewechselt haben, dass wir uns zum letzten Mal gesehen haben könnten, dass gemeinsame Pläne durch einen Schicksalsschlag in sich zusammenfallen.

Die Normalität trägt uns durch den Alltag. Sie nimmt uns auch in schwierigen Phasen die Sorgen und verschafft uns wertvolle Momente der Ruhe. Das Leben geht Tag für Tag seinen Weg. Es hat ein Morgen – es geht voran. Dann und wann scheint ein Tag dem nächsten zu gleichen – alles ist ganz „normal“. Wenn wir an den nächsten Tag denken, begegnet uns Leben. Wir denken an unsere Aufgaben und unsere gefüllten Terminkalender. Haben wir an alles gedacht? Was steht morgen an? Was dürfen wir auf keinen Fall vergessen? Vielleicht erfüllt uns die eine oder andere Aufgabe mit Unbehagen, vielleicht aber auch mit besonderer Vorfreude. So oder so – uns begegnet ein Stück Normalität. Leben ist Normalität. Etwas Erwartbares und – vermeintlich – Unbekümmertes.

Für zu viele Menschen hat in den letzten Wochen und Monaten das Denken an Morgen ein jähes und viel zu häufig quälendes Ende gefunden. Ich möchte daher heute unsere Anteilnahme und unser Gedenken insbesondere auf die Verstorbenen der Corona-Pandemie und der Flutkatastrophe richten.

Jede und jeder Einzelne wurde aus dem Leben gerissen. Jede und jeder Einzelne hatte einen Alltag, der für andere die Welt bedeutet. Jede und jeder Einzelne hatte Pläne. Nicht nur in ferner Zukunft, sondern für den nächsten Tag. Jeder und jede Einzelne hinterlässt schmerzhafte Lücken in den Leben und Herzen der Angehörigen und Freunde.

Es mag eine Plattitüde sein, doch ein stilles Gedenken wie heute macht umso bewusster: Das Leben und jeder Moment des Lebens ist kostbar und durch und durch schätzenswert. Wie schön und wohltuend Normalität ist, wird uns oftmals erst bewusst, wenn wir mit ihrem möglichen Verlust konfrontiert sind. Denn Normalität ist die Summe des Engagements ganz, ganz Vieler. Wenn wir einen oder mehrere Mitmenschen aus dieser Gleichung nehmen, gerät das Leben ins Wanken. Umso wichtiger ist es, jede und jeden wertzuschätzen und sich bewusst zu machen, wie sehr sich jede und jeder für die Gemeinschaft engagiert.

Gemeinschaft gibt uns Halt. Sie fängt all jene auf, die einen Verlust verkraften müssen. Gemeinschaft gibt uns Perspektive. Sie hilft uns, auch in schwierigsten Zeiten an ein gutes Morgen zu glauben. Gemeinschaft lässt uns nicht allein. Sie behält den Blick auf all jene, deren Normalität sich neu finden muss.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerschützen! Danke, dass Sie Gemeinschaft leben.

Sie pflegen Brauchtum und prägen Zusammenhalt. Sie verkörpern Werte und gestalten Miteinander. Sie bewahren Traditionen und eröffnen Zukunft.

Auf diese Weise schaffen Sie Gemeinschaft und erhalten diese aufrecht – auch über den Tod hinaus. Mögen Sie Ihrer verstorbenen Mitglieder stets mit einem Lächeln im Herzen gedenken.“