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Ein langer Weg für Briefe: Warum manche Post eine besondere Bedeutung hat

Die Gefahren, die hierzulande auf dem Weg zum nächsten Briefkasten lauern, sind recht unspektakulär: Die Nachbarin, die liebend gerne ein langes Schwätzchen halten würde, das Sonderangebot beim Bäcker für den unwiderstehlich leckeren Kuchen und hie und da ein Mensch auf einem Zweirad, der das Wort Bürgersteig nicht verinnerlicht hat.

Tiger? Nashörner? Schlangen? Rutschige Trampelpfade an steilen Felsen, die jederzeit die Gefahr eines Absturzes bieten? Fehlanzeige! Die einzige „Gefahr“ besteht gerade noch darin, dass die Post bis zum Empfänger ein paar Tage mehr braucht, als gedacht.

Ein halbes oder meist ein ganzes Jahr ist durchaus normal“, sagt die als unermüdliche Spendensammlerin und Vermittlerin von Kinderpatenschaften bekannte Warendorferin Monika Lucht. Das ist die ungefähre Zeit, die Pateneltern in der Kinderhilfe Nepal auf Post von ihren Schützlingen warten müssen, denn: „In Nepal gibt es kein wirkliches Postsystem“, erläutert Lucht, der im Oktober 2023 für ihr Tun das  Bundesverdienstkreuz verliehen wurde. „Die Kinder bemühen sich, ihren Lehrern einen Brief mitzugeben, wenn die Kontakt zu Besuchern aus der Kinderhilfe Nepal haben“, schildert sie das interne Postsystem, mit dem die Verbindung aufrechterhalten wird. Mitunter nehmen die Kinder für die Weiterleitung und den Empfang eines Briefes einen stunden-, gelegentlich auch tagelangen Fußmarsch auf sich, glücklicherweise in Begleitung. „Nicht immer der Eltern“, sagt Lucht. Manche von denen seien zu schüchtern und ängstlich, den Weg in die Hauptstadt aufzunehmen. „Sie schlafen auf der Straße, gelegentlich bei bekannten oder hilfreichen Menschen“, schildert Lucht die Umstände vor Ort.

Die kann sie nicht nur sehr lebhaft, sondern auch sehr gewissenhaft beschreiben, weil sie selbst bereits mehrfach dort war. Auf eigene Kosten, so wie alle Paten und Helfenden in der Kinderhilfe Nepal, die sich selbst ein Bild in dem von der Welt vernachlässigten Land machen wollen. Und ja, Tiger, Nashörner und die berüchtigten, teils lebensgefährlichen Wege gebe es, wenn es Kinder sind, die den Dschungel durchqueren oder gar darin leben müssen, sagt sie. Kinder, deren Familien als „Waldmenschen“ nicht am Rand der Gesellschaft, sondern quasi noch dahinter wohnen.

Lucht erzählt von einzelnen Schicksalen. Waisenkindern. Einem Kind mit gehörlosen Eltern. Einem, dessen Vater verschollen und dessen Mutter gehandicapt ist. Jenem Kind, dessen Vater glücklich war, in den Golfstaaten Arbeit zu finden, dort schwer verletzt wurde und jetzt arbeitsunfähig, behindert und ohne jegliche Unterstützung zurückkehrte. Oder von dem Jungen dessen Vater durch einen Nashornangriff starb.

Sie alle hätten eigentlich keine Chance, auf eine würdevolle Kindheit und ein würdevolles Leben. Denn der Weg zur Bildung ist nur mit Geld zu ermöglichen. Die – von vielen Paten von der Steuer absetzbaren – 25 Euro monatlich für eine Patenschaft, ermöglichen den Kauf einer gebrauchten Schuluniform, sowie das Schulgeld zu finanzieren, das eine einfach warme Mahlzeit täglich beinhaltet. Darüber hinausgehende Spenden nutzt die Kinderhilfe Nepal für zahlreiche Projekte, beispielsweise zur Unterstützung und zum Bau von Schulen und Heimstätten für jene Kinder, die die täglichen Wege nicht leisten können – wegen ihres Alters, der Entfernung sowie der Tiger, Nashörner und allgegenwärtiger Erdrutsche.

Hilfe, die sich lohnt, wie die Berichte von hervorragenden Schulentwicklungen oder Kindern beweisen, die mittlerweile sogar Stipendien für Kanada oder Großbritannien erhalten haben, oder in Deutschland zu Pflegefachkräften ausgebildet wurden. „Unfassbar schöne Erfolge“, freut sich Lucht.

Die Briefe der Kinder sind altersgemäß schlicht. Sie berichten von ihrer Situation, ihrer Entwicklung und drücken ihre unermessliche Dankbarkeit aus. Meist auf Englisch, auch auf Nepali. Bei den Treffen für den Briefaustausch, die oft mit oder bei Ram Thapa, dem nepalesischen Konsul und 2. Vorsitzenden der Organisation stattfinden, werden sie fotografiert. „Manche Paten waren verwundert, wie schön die Kinder leben – doch das ist meist das Wohnzimmer von Ram Thapa“, sagt Lucht mit einem Schmunzeln. Denn die wahre Wohnsituation der Kinder ist eine andere. Auch davon gibt es Bilder. Die Fotos sind ebenfalls wichtig, um die Briefe – Umschläge mit Adressen und Absender kennt man in Nepal nicht – zuordnen zu können. Denn die Vornahmen sind oft ähnlich, die Nachnamen ebenfalls, da sie oft die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe bedeuten. 100 Briefe durfte Lucht, die stets von ihrem Mann Jürgen sowie von Sandra Ravensberg und Irmgard Terhorst unterstützt wird, nach Weihnachten zusortieren. Jetzt kamen erneut 33 Briefe. „Für mich wie Weihnachten“, lacht sie. Sie ist bemüht, die Briefe schnellstmöglich an die Patinnen und Paten weiterzuleiten. Ein funktionierendes „Postsystem“ innerhalb der Kinderhilfe. Wer nach Nepal fliegt, nimmt und bringt was mit. Auf eigene Faust zu versuchen, etwas dorthin zu schicken, beispielsweise mit der Adresse der Schule, gehe immer schief. In jedem Brief könne ja Geld sein, weiß Lucht. Das sei im Gepäck der nepalreisenden Mitglieder der Nepalhilfe besser aufgehoben.

Hier vor Ort ist sie gerne Sammelstelle für Briefe, die sie jederzeit gerne entgegen nimmt. Kontaktaufnahme unter 02581-62592. Die Spendenkontonummer – bitte Absender für die Spendenbescheinigung angeben – lautet: Kinderhilfe Nepal e.V., Sparkasse Bamberg, IBAN DE 24 7705 0000 0578 2114 01, Verwendungszweck: Projekte Monika Lucht

Monika Lucht, Irmgard Terhorst, Jürgen Lucht, Mecki Erbe, Thomas Stöwe, Anna Olgemöller sind hocherfreut lesen zu können, wie gut die Hilfe aus Deutschland wirkt (von links)

Bilder und Briefe von Armut und Dankbarkeit, von Hoffnung und Freude

Fotos: Rieder