Es siegt der Geist der Unterwelt – Wilhelm Busch zum Krüßingfest

Das Gute – dieser Satz steht fest –

Ist stets das Böse, was man läßt!

Ob es Helene geholfen hätte, wenn Spießer Nolte seinen Moralsatz schon früher gesagt hätte? Vielleicht. Aber welch grandioses Epos wäre uns entgangen, mit dem der satirische Zeichner Wilhelm Busch 1872 religiöse Heuchelei und zwielichtige Bürgermoral in der ihm eigenen Art durch den Kakao zog. So gekonnt, dass das Werk noch heute nicht nur gern gelesen wird und 1965 verfilmt wurde, sondern auch seinen Weg nach Freckenhorst gefunden hat.

Auf die Theaterbühne. Genauer: In den Kreuzgang.

Es könnte kaum besser passen: Ein Theaterstück über eine vermeintlich gottesfürchtige Frau, im Kreuzgang des ehemaligen Klosters, im Schatten der Bauerndom genannten Stiftskirche. Doch so fromm, wie der Titel es vermuten lässt, ist „Die fromme Helene“ von Wilhelm Busch gar nicht. Eher im Gegenteil, sagt Barbara Kratz, und sie muss es wissen. Verkörpert sie doch das sündige Frauenzimmer bereits seit der Premiere 2002, also seit 20 Jahren auf der Bühne.

In Freckenhorst wird sie mit dem ursprünglich als Bildergeschichte erschienenen Werk am 5. Mai zu sehen sein. Wie üblich erlebt Krüßing, das Heimatfest der Stiftsstadt, am Freitagabend einen kulturellen Auftakt. Wie immer mit freiem Eintritt und Open-Air. Zwar ist es Absicht, wenn an diesem Abend bei Jung und Alt kein Auge trocken bleibt. Sollte aber weiteres Nass dazukommen, ist vorgesorgt.„Wenn das Wetter nicht mitspielt, gehen wir in die Kirche“, versicherte Kirsten Risse vom Arbeitskreis Krüßing beim Pressetermin mit der Darstellerin.

Eben jener Darstellerin, die auf der Bühne nicht nur als Helene zu sehen sein wird. Barbara Kratz, die oftmals schon in Warendorf aufgetreten ist, schlüpft in der Spielfassung eines der bekanntesten Werke Buschs gleich in 12 Rollen. Ohne zwischenzeitlichen Abgang, erläutert sie. Das Umziehen erfolgt auf der Bühne, auf der auch alle Requisiten offen zu sehen sind.

Eines davon ist die Concertina, die kleinste aller „Quetschkommoden“. Auf ihr begleitet Kratz ihren Gesang, wenn sie das Werk mit bekannten Schlagern des zwanzigsten Jahrhunderts anreichert. „Es geht eine Träne auf Reisen“, „Abschied ist ein scharfes Schwert“, „Solange wir jung sind“ und einige mehr hat sie in das Opus des satirischen Zeichners eingefügt, dessen Umsetzung für die Bühne gar nicht leicht war, wie sie berichtet. Die Präsentation Open-Air und an diesem Ort habe zudem einen ganz besonderen Reiz.

Der wird am Theaterabend noch durch eine stimmungsvolle Beleuchtung von der Crew des Theater am Wall, die nicht unbequeme Bestuhlung sowie das Getränkeangebot gesteigert. Zu essen wird es wie sonst auch immer Brezel geben.

Ein Getränkeangebot sei ganz passend, scherzte Barbara Kratz, denn Alkohol sei ein regelmäßiges Element des Stücks. „Gebt den Leuten ruhig Alkohol, sie sollen mich schön saufen“, fügte sie an und man weiß nicht, ob dies jetzt noch Barbara oder schon Helene war.

„Die fromme Helene“, gespielt, gesungen und kommentiert von Barbara Kratz

Eine Produktion des Freien Werkstatt-Theaters Köln

Eine Veranstaltung des Arbeitskreis Krüßing

5. Mai 2023, 20.30 Uhr
Kreuzgang an der Stiftskirche in Freckenhorst

Eintritt frei, Spenden erbeten

Erfahrene Besucher bringen sich eine wärmende Decke mit

André Auer, Ulrich Hahner, Petra Achtermann, Eva Westfechtel, Barbara Kratz, Kirsten Risse, Wilma Richter und Katrin Pöhler im Kreuzgang an der Stiftkirche, der an Krüßing erneut zur Theaterbühne mutiert (v.li.)

Foto: Rieder