Münsterland/Emscher-Lippe-Region. – „Die Wirtschaft im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region braucht eine deutlich stärkere Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte.“ Das betonte der Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen, Dr. Fritz Jaeckel, heute (9. Mai) beim ersten IHK-Fachkräftekongress in Münster. Mit über 300 Anmeldungen aus Unternehmen war die Veranstaltung schon vor Wochen ausgebucht. Für Jaeckel keine Überraschung, sondern „Ausdruck der sich zuspitzenden Problemlage“.
Während die Zahl der Beschäftigten im IHK-Bezirk Nord Westfalen auf die Marke von einer Million zusteuert, steigt auch das Fachkräftebarometer der IHK Nord Westfalen auf einen alarmierenden Höchstwert: Laut IHK-Umfrage sehen 73 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als größtes Risiko für ihre geschäftliche Entwicklung an. Längst rangiert er damit wieder vor den Energie- und Rohstoffpreisen. „Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, den Bedarf der Wirtschaft an Fachkräften zu decken“, betont Jaeckel mit Nachdruck. Dabei spielt für ihn die Einwanderung von Fachkräften aus Staaten außerhalb der EU eine zentrale Rolle, „schon weil der Fachkräftemangel fast alle Länder der Europäischen Union in ähnlicher Weise trifft“.
Nach IHK-Berechnungen aus der Bundesstatistik gibt es in Nord-Westfalen etwa 10.000 „Beschäftigte aus Staaten außerhalb der EU mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit“. Um diese Zahl deutlich steigern zu können, hofft die regionale Wirtschaft auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Bundesregierung derzeit weiterentwickelt. „Die Fachkräfteeinwanderung muss einfacher werden“, macht Jaeckel klar.
Der Entwurf, der derzeit im Bundestag beraten wird, geht aus Jaeckels Sicht „in die richtige Richtung“. Damit meint er zum Beispiel die Erleichterungen für eine Zuwanderung ohne formal anerkannte Berufsqualifikation oder für die Möglichkeit, ein Anerkennungsverfahren erst in Deutschland anzustoßen. „Allerdings erhöht die konkrete Ausgestaltung der Regelungen an vielen Stellen die ohnehin schon hohe Komplexität des Aufenthaltsrechts“, kritisiert der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Die Chancenkarte beispielsweise, findet er „vom Grundsatz her gut“. Sie erhöhe aber den Prüfaufwand und damit die „Gefahr, dass sich administrative Prozesse weiter verzögern, statt beschleunigt zu werden“, auch weil die notwendige Digitalisierung der Prozesse nicht absehbar sei. „Wir können uns im internationalen Wettbewerb diese Komplexität einfach nicht leisten“, macht Jaeckel deutlich: „Dann gehen die Fachkräfte in andere Länder, die es ihnen einfacher machen“, zumal schon die deutsche Sprache eine zusätzliche Hürde darstelle.
„Wir brauchen für Betriebe, Fachkräfte und Verwaltung gleichermaßen einfache, verständliche und transparente Regeln“, fordert Jaeckel Nachbesserungen am Gesetz. Statt unterschiedlichste Einzelkriterien und deren Prüfung vorzusehen, sollte „deshalb Unternehmen ein höherer Ermessensspielraum hinsichtlich der Eignung von Arbeitskräften eingeräumt werden“, betont der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Wenn ein Unternehmen einwanderungswillige Fachkräfte aus einem Nicht-EU-Land gefunden hat und bestätigt, dass ein Arbeitsvertrag mit einer bestimmten zeitlichen Perspektive geschlossen wird, muss es eine Möglichkeit geben, diese Arbeitskräfte schnell und unbürokratisch in den Betrieb zu holen“, skizzierte Jaeckel das Ziel.
Dieses Ziel entspricht auch den Vorstellungen von Alexander Nagel, Geschäftsführer der Finiglas Veredelungs GmbH aus Dülmen. Auf der Suche nach weiteren Fachkräften ist Finiglas in Mazedonien fündig geworden. Von den drei potenziellen Fachkräften, die er gern ins Münsterland holen würde, ist inzwischen schon einer abgesprungen, „weil wir ihnen bislang keine langfristige Perspektive zusichern können und der bürokratische Aufwand hoch ist“, sagte Nagel. Die beiden verbliebenen Bewerber würde er gern schnell einstellen und sie dauerhaft an den Betrieb binden.
Deutlichen Nachbesserungsbedarf sieht Jaeckel zudem bei der Ausbildung von jungen Frauen und Männern aus Drittstaaten. „Das Gesetz sollte die Möglichkeit enthalten, für sechs bis zwölf Monate nach Deutschland einreisen zu können, um ein Betriebspraktikum zu absolvieren und sich auf eine Ausbildung vorzubereiten“, fordert der IHK-Hauptgeschäftsführer. Bis dahin lasse sich prüfen, ob die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung vorliegen oder erreicht werden könnten.
In diesem Zusammenhang berichtete Hendrik Hemker, Geschäftsführer der Wecon GmbH Nutzfahrzeuge aus Altenberge, über seine Erfahrungen mit der gezielten Anwerbung von jungen Frauen und Männern aus Kamerun, Marokko und aus den Westbalkanländern. Elf von ihnen haben ihre Ausbildung bei Wecon inzwischen erfolgreich abgeschlossen, 15 weitere werden derzeit ausgebildet. Hemker machte dabei deutlich, wie wichtig es sei, „dass das ganz Unternehmen mitzieht und mithilft“, es letztendlich aber immer einen hauptamtlichen Kümmerer für alle sozialen Fragen und für das Verfahren rund um die Aufenthaltserlaubnis geben müsse. Als begrenzenden Faktor für die Fachkräftegewinnung sieht er die Lage auf dem Wohnungsmarkt: „Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende“, betonte Hemker.
Trotz seiner Kritik am Gesetzentwurf rät Jaeckel den Unternehmen alle alten und neuen Möglichkeiten zu nutzen, die das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet. Die IHK werde dabei helfen, mehr Transparenz in den Strukturen der verschiedenen Ansprechpartner herzustellen, und die Unternehmen zu informieren. Dazu diente schon der Fachkräftekongress, der sich neben der Fachkräftegewinnung im Ausland beispielsweise mit der Frage beschäftigte, wie Unternehmen sich als attraktive Arbeitgeber positionieren und wie die Unternehmenskultur dabei helfen kann.
Alexander Nagel (l.) von der Finiglas Veredelungs GmbH in Dülmen und Hendrik Hemker (r.) von der Wecon GmbH Nutzfahrzeuge in Altenberge berichteten beim IHK-Fachkräftekongress über ihre Erfahrungen bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Eröffnet wurde der Kongress von IHK-Vizepräsidentin Melanie Baum und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel.
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