Generationswechsel mit existenziellen Folgen – IHK-Fachkräftekongress in Dorsten: Neuer Blick auf Arbeit

Dorsten. – Bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte werden bis 2035 in Deutschland fehlen, schätzt die Personalmanagement-Expertin Prof. Jutta Rump. Doch schon jetzt ist auf dem Arbeitsmarkt der Generationswechsel im vollen Gange – mit spürbaren Folgen auch für die Wirtschaft im Münsterland und in der Emscher-Lippe Region. Wie sich Unternehmen in diesem zunehmend härteren Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte und Auszubildenden positionieren können, war deshalb das zentrale Thema beim 2. Fachkräftekongress der IHK Nord Westfalen heute (22. Mai) in Dorsten.

Als Weckruf wollte Prof. Jutta Rump, die an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwighafen lehrt, ihren Vortrag verstanden wissen. Die jüngere Generation sei leistungsorientiert, habe aber einen anderen Blick auf die Arbeitswelt, erklärte sie den 150 Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Personalverantwortlichen im CreativQuartier Fürst Leopold. Auf deren Vorstellungen von Arbeitszeit und Arbeitsorten, von Sinnhaftigkeit, Sicherheit und Spaß an der Arbeit müssten sich Unternehmen einstellen. „New Work“ ist für Prof. Rump die Antwort auf ein „New Normal“: Veränderung durch Demografie, Digitalisierung oder Klimawandel wird hier zum Normalzustand.

In der anschließenden Podiumsdiskussion unterstrich Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen, wie wichtig Weltoffenheit und Vielfalt für die Wirtschaft sind. 27 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland hätten Migrationshintergrund. „Sie spielen eine zentrale Rolle, um den Fachkräftemangel zu bewältigen“, betonte er. „27 Prozent von uns“ lautet deshalb das Motto einer Aktion des DIHK, an der sich auch die IHK Nord Westfalen beteiligt. Jaeckel sah aber auch Politik und Verwaltungen in der Verantwortung, dass ausländische Fachkräfte schneller in die Betriebe kommen. Nur 17 Prozent der ukrainischen Geflüchteten seien in Deutschland in Arbeit. „Damit ist Deutschland Schlusslicht“, nannte er ein Beispiel. Weniger Bürokratie und weniger Komplexität in den Verfahren, dafür mehr Digitalisierung seien dringend notwendig.

Über neue Wege in der Arbeitswelt sprachen zudem IHK-Vizepräsidentin und Unternehmerin Kathrin Gödecke aus Bottrop, Ausbildungsleiterin Anita Mühlenkamp von J.W. Ostendorf in Coesfeld und Tabea Gottemeyer als Vertreterin der Millennials – die junge Konstruktionsmechanikerin hat bei der IHK-Bestenehrung 2023 die Absolventenrede gehalten. Sie diskutierten darüber, wie kleine und mittlere Betriebe für Bewerberinnen und Bewerber sichtbarer werden, wie sie Kandidaten für sich gewinnen und ans Unternehmen binden, welche neue Aufgaben, zum Beispiel im Gesundheitsmanagement, hinzukommen und wir Künstliche Intelligenz für Produktivitäts- und Zeitgewinne sorgen kann.

Praktisch wurde es zum Abschluss: In acht Workshops erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sie sich auf unterschiedliche Bewerbergruppen einstellen. Deutlich wurde zum Beispiel, welche Chancen die Inklusion von Menschen mit Behinderung eröffnet, und wie viel Potenzial es bietet, Studienabbrechern eine Ausbildung zu ermöglichen oder Geflüchtete im Unternehmen zu integrieren.

Wie werden Unternehmer attraktiver für die sinkende Zahl an Fachkräften und Auszubildenden? Beispiele aus der Praxis lieferten beim 2. IHK-Fachkräftekongress IHK-Vizepräsidentin Kathrin Gödecke (REWE Gödecke), Anita Mühlenkamp (J.W. Ostendorf), Tabea Gottemeyer, IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel, Moderatorin Ulrike Winzer und Prof. Jutta Rump (v.l.).

Foto: Pöhnert/IHK