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Kommunen „im Scheuersack“

Sassenberg.  Welche Folgen haben die finanziellen Engpässe mittelfristig für die Kommunen im Land? Dem Sassenberger Bürgermeister Josef Uphoff bereitet die angespannte Situation Sorgen: „Wir befinden uns in einem Scheuersack, wie ich ihn in meiner Laufbahn bisher noch nicht erlebt habe“, brachte er es im Gespräch mit dem CDU-Landtagsabgeordneten Daniel Hagemeier auf den Punkt. „Das gefährdet allmählich den kommunalen Frieden.“ Ein Eindruck, den Kämmer Guido Holtkämper und CDU-Stadtverbandsvorsitzender Dirk Schöne aus ihrer Erfahrung in Politik und Verwaltung bestätigten.

Hohe Kosten für städtische Kitas

Ein drängendes Thema in Sassenberg und Füchtorf: die Kindergartenfinanzierung. „Da geht es uns mit insgesamt sieben Kindertagesstätten in städtischer Trägerschaft keinen Deut besser als den anderen Städten und Gemeinden im Kreis Warendorf“, spielte Josef Uphoff auf die eklatant gestiegenen Kosten an. „Allein in diesem Bereich ist aktuell eine sehr dynamische Steigerung der Defizite zu verzeichnen, von rund 460.000 Euro im Jahre 2022 über rund 890.000 Euro im vergangenen Jahr bis hin zu rund 1.280.000 Euro im laufenden Kalenderjahr.“ Hier bat Hagemeier den Bürgermeister noch um ein wenig Geduld: Der Landtagsabgeordnete geht davon aus, dass sich mit der Verabschiedung des neuen Kinderbildungsgesetzes (KiBiz), erwartet zum Start des Kindergartenjahres 2025/26, die Rahmenbedingungen für die Kommunen weiter verbessern zu können. Generell habe die Landesregierung im Haushalt 2024 bewusst einen deutlichen Schwerpunkt auf Kinder, Jugendliche und Familien sowie Schule und frühkindliche Bildung gelegt. „Allein die Aufwendungen für Bildung belaufen sich auf über 37 Milliarden Euro“, so Hagemeier. Für die Bildung und Betreuung der Kleinsten habe das Land NRW vor kurzem ein Maßnahmenpaket mit mehr als 550 Millionen Euro zusätzlich auf den Weg gebracht. Zur Stärkung der Basiskompetenzen „Rechnen“, „Schreiben“, „Lesen“ würden im Schulbereich zusätzlich acht Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Hagemeier: „Bildung ist ein wichtiger Schlüssel!“

Schule ohne Leitung

Eine Aussage, die nahtlos zum nächsten Thema führte: Wie in den Medien kommuniziert, hat die Grundschule Füchtorf derzeit das Problem, eine Nachfolgerin für Rektorin Marlies Borisch zu finden, die im Sommer in den Ruhestand geht: Die Anwärterin, die die Aufgabe gern annehmen würde, ist evangelisch – während die Wilhelm-Emanuel-von-Ketteler-Schule eine katholische Bekenntnisschule ist. Für die Bezirksregierung Münster laut Schulgesetz nicht zulässig; sie erteilte der Bewerberin eine Absage. „Eine Regelung, die uns vor Ort hier nicht mehr zeitgemäß zu sein scheint“, gab Dirk Schöne zu bedenken. „Das erhöht lediglich den Druck, die Grundschule Füchtorf von einer Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsschule umzuwandeln.“ Auch für Daniel Hagemeier ein schwieriger Sachverhalt, vor allem angesichts der aktuellen Personalsituation an Schulen. „Wenn man bedenkt, dass mehr als zehn Prozent der Grundschulen im Bereich der Bezirksregierung derzeit ohne Schulleitung dastehen, braucht es vielleicht doch mehr Flexibilität“, gab er den Anwesenden recht.

Offener Ganztag auf dem Weg

Parallel dazu beschäftigt die Stadt Sassenberg das Thema des Rechtsanspruches auf einen Platz im offenen Ganztag, der ab 2026 in Kraft treten soll: „Die Erwartungshaltung der Eltern ist hoch. Aber auch hier gehen die Mehraufwendungen durch die permanent steigenden Betriebskosten primär auf den Deckel der Kommunen“, machte Josef Uphoff deutlich. „Darüber hinaus steht zu befürchten, dass die Investivförderung für zusätzlich zu schaffende Betreuungsplätze völlig unzureichend sein wird. Wir leben jetzt schon stark von der Substanz – das kann nicht noch jahrelang so weitergehen.“ Daniel Hagemeier hat großes Verständnis für die Sorgen der Kommunen: „Alle öffentlichen Haushalte sind durch den russischen Angriffskrieg, die damit ausgelöste Energie- und Konjunkturkrise, die hohe Inflationsrate, stark gestiegen Zinsen und eine schwache konjunkturelle Grunddynamik belastet“, zählte er auf. „Zusätzlich verliert der NRW-Haushalt vier Milliarden Euro pro Jahr durch die veränderte Steuergesetzgebung des Bundes.“ Dennoch sei der Etat 2024 geprägt davon, unter schwierigen Rahmenbedingungen politisch gestalten zu wollen und gleichzeitig keine neuen Schulden zu machen. „Mit der Schaffung von zusätzlichen 38000 Plätzen im Offenen Ganztag im Primarbereich wird der Weg hin zur Erfüllung des Rechtsanspruches auf einen Ganztagsplatz in der Primarstufe konsequent fortgesetzt“, betonte der CDU-Landtagsabgeordnete.

Klare Regelungen in der Migration

Zu viele Aufgaben – zu wenig finanzielle Mittel: Beim Thema Flüchtlingsunterbringung wird das besonders deutlich. „Wir haben seit über einem Jahr die kleine Herxfeldhalle belegt“, schilderte Bürgermeister Josef Uphoff. Hohe Kosten, ein eh schon angespannter Wohnungsmarkt – und weiter steigende Zahlen: Das ist der Dreiklang, mit dem auch Sassenberg zu kämpfen habe. Daniel Hagemeier ist das bewusst: „Wir hätten uns ebenfalls ein deutlich zielführenderes Ergebnis aus dem Flüchtlingsgipfel Ende vergangenen Jahres gewünscht“, betonte der CDU-Landtagsabgeordnete. Weder die Frage der Finanzierung noch die der Begrenzung irregulärer Migration seien hinreichend geklärt worden. Er zählte auf, was die Landesregierung unternommen habe, um die Kommunen zumindest in Teilen zu entlasten: „Für jeden Euro aus Berlin haben wir drei Euro draufgelegt, die Kapazitäten für die Erstunterbringung werden verdoppelt.“ Aber: „Es werden weiterhin viele Menschen auf der Flucht sein“, so Hagemeier, „bei aller humanitären Verantwortung müssen wir bundes- wie europaweit klare, verbindliche Lösungen finden für eine geregelte Migration und eine faire Verteilung!“

Gezielte Förderung

Angesichts der vielen Pflichtaufgaben wird ein Thema in Sassenberg noch etwas warten müssen: Nicht jeder einzelne Glasfaseranschluss in Zonen mit geringen Downloadraten ist aus dem Stadtsäckel finanzierbar: „Um die sogenannten ‚grauen Flecken‘ aufzurüsten, würde ein Eigenanteil von mehr als einer Million Euro für rund 270 Anschlüsse fällig“, so Uphoff, „das ist aktuell nicht leistbar“. Bei anderen Fördervorhaben greift das Land der Stadt unter die Arme: „Wir stärken durch das Gemeindefinanzierungsgesetz 2024 die kommunale Haushaltssituation“, unterstrich Hagemeier. „Insgesamt fließen 15,34 Milliarden Euro an die kommunale Familie. Davon nach Sassenberg rund 4 Millionen Euro. Aus dem Nahmobilitätsprogramm wurden Ende 2023 sechs Projekte im Kreis Warendorf gefördert. Darunter auch die Radwegebrücke über die Ems an der Kreisstraße 18 südlich von Sassenberg.“

Klar ist: Angesichts der vielen drängenden Themen bleiben Josef Uphoff und Daniel Hagemeier im Gespräch: „Unsere Kommunikationswege sind ja kurz“, bestätigte Uphoff augenzwinkernd, „im Normalfall dauert es keine 24 Stunden, bis ich auf meine Anfragen eine Antwort bekomme“.

ZAHLEN UND FAKTEN

Der Landesetat 2024 hat ein Volumen von rund 102,1 Milliarden Euro. Die Prioritäten liegen bei Kindern, Familien, Bildung, Wohlstand und Arbeitsplätzen sowie Sicherheit. Mehr als jeder dritte Euro der Gesamtsumme geht an die Kommunen, insgesamt rund 36 Milliarden Euro. Auch bei der Entschärfung der Flüchtlingssituation leistet das Land seinen Beitrag: Insgesamt fließen 808 Millionen Euro in die Kommunen. Ende 2023 gingen zusätzlich noch einmal rund 8,4 Millionen Euro für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge in den Kreis Warendorf, davon 449.422 Euro nach Sassenberg.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Daniel Hagemeier (2.v.r.) nahm im Gespräch mit Bürgermeister Josef Uphoff (2.v.l.), Kämmerer Guido Holtkämper (r.) und dem CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Dirk Schöne wichtige Impulse für seine Arbeit mit nach Düsseldorf.

Foto: Wahlkreisbüro des Abgeordneten Daniel Hagemeier MdL (CDU)/Hartmeyer