Einige Werkzeugkoffer, eine Nähmaschine, ein paar Tische mehr – schnell war das Lesecafé im Erdgeschoss umfunktioniert zur ersten „Näh- und Reparaturwerkstatt für Selbermacher“. Und die ersten Aufträge waren auch schnell da: eine Hose mit zu langen Beinen; ein vom Kuscheln kaputtes Stoffhäschen; und ein Tablet mit totem Display, das aber noch Geräusche machte und doch noch nicht ganz tot zu sein schien.
Nur ein paar Klicks und der für alles Technische und Elektrische zuständige Sebastian Heller hat die passende Reparatur-Anleitung aus dem Internet gesucht und dazu aus seinem Sortiment das passende Werkzeug. Dann hieß es für die Tablet-Besitzerin: Ran an die Reparatur, Aufstemmen, Abschrauben, Kabel abzupfen, selber machen. „Ich wüsste natürlich wie es geht, aber das ist ja nicht unser Ansatz“, sagt Heller, der daneben sitzt, hilft und rät: „Ruhig ein bisschen doller drücken, es muss klick machen.“ Genau diese Erfahrung gibt dem Reparaturneuling das gute Gefühl, etwas machen zu können, was man sich allein zu Hause nie trauen würde. Und am Ende funktioniert das Tablet wieder.
Als nächstes dran war ein Fotoapparat mit verklemmtem Objektiv-Verschluss, dann eine Brille. „Die ist mir samt Etui auf die Straße gefallen und ein Auto ist drüber gefahren“, erzählt Ellen Gispert und legt das verbeulte, zerbrochene Gestell auf den Tisch. „Die Gläser sind zum Glück heil geblieben.“ Während sie mit Sebastian Heller schraubt und lötet, sitzt ihr Mann am Nebentisch an der Nähmaschine. Seine Patchworkdecke ist von Mäusen zerfressen worden. Näh-Fachfrau Maria Lindner zeigt ihm, wie er die Fetzen wieder zusammen nähen und mit einem dünnen Stoff flicken kann. „Wie mit einem Pflaster.“ Und dann muss noch ein passender Überstoff drüber, damit es wieder schön aussieht. „Das mache ich dann aber zu Hause, mit unserer Nähmaschine. Wie das geht, weiß ich ja jetzt“ sagt er und drängt dann seine Frau zum Aufbruch: „Wir müssen ja noch weiter, schönen Stoff kaufen.“ Und für Maria Lindner wartet schon die nächste Anfrage: Bei einer heißgeliebten Gartenjeans ist der Reißverschluss kaputt, ob man die wohl noch retten könne?
„Nummernzettel musste ich noch nicht ausgeben“, sagt Sigrid Tinz. „Aber die ersten zwei Stunden des Vormittags waren Maria und Sebastian ohne Pause beschäftigt mit Nähen, Reparieren, Beraten.“ Sie selbst war zuständig fürs Organisatorische: die Besucher nach ihren Anliegen zu sortieren und auf die Formalitäten zu achten. Zum Beispiel mussten alle einen sogenannten Haftungsausschluss-Vertrag unterschreiben. „In dem steht sinngemäß, dass wir nicht dafür haften, wenn das Mitgebrachte nach der Reparatur immer noch kaputt ist. Oder anders kaputt.“ Ein Toaster etwa ließ sich tatsächlich nicht wieder zum Leben erwecken. Und auch Maria Lindner konnte nicht immer helfen, bei der Gartenjeans etwa. „Jeans-Reißverschlüsse sind ganz aufwändig aufzutrennen und wieder einzunähen, die Metallreißverschlüsse als Ersatzteil sehr teuer“ erklärt sie dem Hosen-Besitzer. “Wenn es nur die Gartenhose ist, würde ich sagen: Langes T-Shirt drüber ab sofort. Fertig.“
Wer von den Besuchern gerade nicht dran war bei Sebastian Heller oder Maria Lindner, konnte in thematisch passenden Büchern schmökern und stöbern. Die hatte Bücherei-Leiterin Birgit Lücke aus ihrem reichhaltigen Bestand auf einem extra Tisch zusammengestellt. Und in all der Betriebsamkeit blieb Zeit für Gespräche, übers Nähen und Reparieren, über Allgemeines und weitere Pläne. „Einen neuen Mitstreiter haben wir gewinnen können“, sagt Sigrid Tinz. „Jürgen Vieting ist ab sofort im Team; er wird im Herbst eine Fahrradwerkstatt anbieten. Für alle die eben mal nicht so eben wie nebenbei Ketten ölen, Bremsen nachziehen und ihr Fahrrad winterfest machen.“ Der Termin steht auch schon fest: es wird der 6. Oktober sein, bei gutem Wetter im Hof der Bücherei, bei Regen im Sophiensaal.
Die nächste reguläre Näh- und Reparaturwerkstatt findet statt am 16. Juni. „Denn das war ein rundum gelungener Auftakt, es hat toll geklappt und viel Spaß gemacht“, da sind sich die Organisatoren einig, „Wir werden auf jeden Fall weitermachen.“
(Fotos: Birgit Lücke / Stadtbücherei Warendorf)