Schüler des Laurentianum in Erfurt, Buchenwald und Weimar

Eine intensive dreitägige Exkursion führte 50 Neuntklässler des Gymnasium Laurentianum unter Begleitung von Lars Boesenberg, Lena Brömmelkamp und Tobias Franke nach Erfurt, Buchenwald und Weimar und konfrontierte sie mit den Widersprüchen deutscher Geschichte.
Zunächst ging die Fahrt nach Erfurt. Die atemberaubende Altstadt mit bunten Fachwerkbauten, prunkvollen Renaissancefassaden, der berühmten Krämerbrücke und dem beeindruckenden Domberg mit Erfurter Dom und Severikirche führte die reiche kulturelle Tradition der Stadt vor Augen.
Mit der jahrhundertealten christlich-jüdischen Geschichte Erfurts, die von friedlichem und gegenseitig bereicherndem Zusammenleben, aber auch von Ausgrenzung und Verfolgung der Minderheit durch die Mehrheit geprägt war, setzte sich die Gruppe in der Alten Synagoge auseinander. Schüler des Ratsgymnasiums Erfurt führten die gleichaltrigen Laurentianer durch diesen historisch bedeutsamen Ort und vermittelten einen Eindruck der wechselhaften christlich-jüdischen Geschichte der Stadt.
Glück hatte die Gruppe, dass an jenem Tag ein buntes Straßenmusikfestival stattfand, so konnten die Schüler zum Tagesabschluss in das quirlige Treiben in der Altstadt eintauchen.
Einen starken Kontrast bildete das Programm des nächsten Tages. Früh morgens fuhren die Schüler zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg vor den Toren Weimars. Bereits die Anfahrt auf der „Blutstraße“, einer von Häftlingen unter unmenschlichen Bedingungen erbauten Zufahrt zum Lagergelände, führte zu nachdenklichem Schweigen.
Nach einer bewegenden Filmdokumentation, in der zahlreiche ehemalige Häftlinge vom Lageralltag berichteten, erkundeten die Schüler in den folgenden zweieinhalb Stunden geleitet von den Geschichtslehrern Lars Boesenberg und Tobias Franke in zwei Gruppen das Lagergelände.
Mit welch perfidem Kalkül das Konzentrationslager auf der Nordseite des Etterbergs errichtet wurde, um die Häftlinge den dort herrschenden extremen Wetterbedingungen auszusetzen, wurde den Schülern auf dem Appellplatz des Lagers klar, als Regen und eiskalter Wind über das Gelände zogen. Keiner mochte sich vorstellen, dort stundenlang in dünner Leinenkleidung stillzustehen, wie es die Häftlinge tun mussten.
Besonders emotional war der Aufenthalt im Lagerkrematorium, das Angehörigen bis heute als Trauerort dient, und in dessen Keller Menschen zu Tode gequält wurden. An Orten wie den Folterkammern im Seitenflügel des Lagertors oder dem Block 46, in dem grausame Menschenversuche durchgeführt wurden, fragten sie Schüler immer wieder, was die Täter zu ihrem Handeln gebracht habe und wie sie dies vor sich selbst haben rechtfertigen können.
Ratlosigkeit hinterließ wie auf den Exkursionen der letzten Jahre der SS-Zoo unmittelbar neben dem Konzentrationslager. Während ein Kommandanturbefehl auf strikten Tierschutz für die Zootiere hinwies, mussten entrechtete Häftlinge unter Bedingungen leben, denen am Ende 56.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Auch ein Foto aus dem Familienalbum des Lagerkommandanten Karl Koch, das ihn mit seinem kleinen Sohn in diesem Zoo zeigt und mit der Beschriftung „Mit Papi im Zoo“ versehen ist, wühlte auf und regte eine intensive Diskussion an. Wie konnten die Täter der größten Grausamkeiten zugleich ein „normales“ Leben als liebevolle Familienväter führen und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?
Auf zahlreiche Gedenktafeln auf dem ehemaligen Lagergelände wurden in jüdischer Tradition kleine Steinchen als Zeichen der Trauer gelegt. Sehr bewegend für die begleitenden Lehrkräfte war, als die Schüler unaufgefordert und mit großem Ernst schweigend begannen, selbst Steinchen auf diese Gedenktafeln zu legen, um ihren Respekt vor den Opfern zu zeigen.
Die Leitfrage der Exkursion, wie Unmenschlichkeit und Barbarei im Umfeld höchster Kultur möglich sein konnte, führte die Schüler am folgenden Tag auf die Spuren Goethes und Schillers in Weimar. In drei Gruppen besichtigten sie den berühmten Lesesaal der Anna-Amalia-Bibliothek im Stil des Rokoko, das Wohnhaus Goethes am Frauenplan, und wurden fachkundig durch das Goethe-Nationalmuseum geführt. Die Förderung der Kultur und Künste durch Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und seiner Mutter Anna Amalia, das Wirken Goethes und Schillers sowie die große Humanität jener Geistesepoche waren das leitende Thema dieses Tages. Schließlich begaben sich die Schüler in einer lebendigen Stadtrallye auf die Spuren Goethes und Schillers und haben dabei einen Eindruck dieser für die deutsche Kultur so prägenden Epoche gewonnen.
Der irritierende und unauflösliche Kontrast zwischen dieser Epoche deutscher Hochkultur und der nur acht Kilometer entfernt stattgefundenen Barbarei im Konzentrationslager Buchenwald hat die Schüler zu intensivem Nachdenken angeregt.
 
Unser Foto zeigt: Die Gruppe der Neuntklässler mit den drei Begleitern in Weimar
 
(Foto: Gymnasium Laurentianum)