UNESCO-Studienreise nach Krakau und Auschwitz mit Schülern und Lehrern des Mariengymnasiums Warendorf

In Anknüpfung an die erfolgreich durchgeführten Reisen in den letzten Jahren mit dem Mariengymnasium Warendorf, die in Zukunft als dauerhaftes Projekt der Q1 und Q2 der Schule fortgesetzt werden sollen, wurde eine von der Kulturreferentin für Westpreußen, Posener Land und Mittelpolen initiierte und aus den Mitteln der Staatsministerin Prof. Monika Grütters (BKM) finanzierte Studienreise nach Krakau und Auschwitz mit Schülern sowie Lehrern des Mariengymnasiums Warendorf vom 4. bis 8. September 2018 realisiert, die das Ziel des außerschulischen Verstehens – und in erster Linie des Erlebens historisch gravierender Ereignisse aus der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte hatte. Zudem wurde die Reise unter dem Thema des UNESCO-Weltkulturerbejahres 2018 durchgeführt, da die historisch wertvolle Altstadt von Krakau sowie die ehemalige Königsresidenz Wawel von der UNESCO bereits im Jahr 1978 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurden. Krakau ist bisher weitgehend vor Zerstörungen verschont geblieben und bietet ein breites Spektrum an sehenswerten Gebäuden von der Gotik bis in die Neuzeit.

In Begleitung der Kulturreferentin Magdalena Oxfort M.A., der Lehrerin Sandra Benteler und dem Lehrer David Feldkämper reisten Schülerinnen und Schüler des Mariengymnasiums Warendorf in die Stadt an der oberen Weichsel.

Erster Tag

Am ersten Tag der Reise erkundete die Gruppe die Altstadt von Krakau sowie das jüdische Viertel Kazimierz, um sich einen ersten Eindruck von der Stadt zu machen. Bei einem gemeinsamen Abendessen und Gesprächen bereiteten sich die Studienreisenteilnehmer auf die am Folgetag anstehende Besichtigung der Konzentrationslager Auschwitz und Auschwitz-Birkenau in den nahegelegenen Orten Oświęcim und Brzezinka vor.

Zweiter Tag

Auschwitz und Auschwitz-Birkenau waren die größten und mit dem höchsten technischen Aufwand betriebenen nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager. Dort sind insgesamt mehr Menschen zum Opfer gefallen als in jedem anderen Vernichtungslager. Ab Sommer 1942 wurde es zum zentralen Deportationsziel im deutschen Herrschaftsbereich. Mit diesen Tatsachen am zweiten Tag der Reise konfrontiert, haben sich alle Teilnehmer vor Ort ein Bild von den grausamen Verbrechen der Menschheitsgeschichte gemacht, die dort verübt wurden. Besonders die vierstündige Führung und die auf die Emotionen der Schüler eingegangene Mitarbeiterin haben dazu beigetragen, die grausame Geschichte zu erfahren, die die meisten Schüler lediglich aus dem Geschichtsunterricht, aus verschiedenen Fernseh-Reportagen und aus Büchern kannten.

Dritter Tag

Am folgenden Tag begab sich die Gruppe in das Jüdische Viertel Kazimierz auf den Spuren der Krakauer Juden. Von König Kazimierz dem Großen im 14. Jahrhundert gegründet, wurde dieses Viertel als eigene Stadt nach ihm benannt. Über Jahrhunderte lang wohnten nebeneinander jüdische und christliche Nachbarn. In Kazimierz gibt es immer noch einige Spuren des jüdischen Lebens wie Synagogen, Friedhöfe und hebräische Inschriften an den Fassaden, die sich die Reiseteilnehmer gemeinsam angeschaut haben. Darunter wurden die Hohe Synagoge, die Alte Synagoge, in der sich eine Ausstellung zum jüdischen Leben in Krakau befindet sowie die Remuh-Synagoge mit dem dazugehörigen Friedhof besichtigt. Die Kultur und die jüdischen Bräuche werden sorgfältig gepflegt, obwohl in Kazimierz nur noch eine kleine jüdische Gemeinde lebt.

Anschließend stand der Besuch des Jüdischen Ghettos auf dem Programm. Die Geschichte des am rechten Weichselufer gelegenen Stadtviertels Podgórze ist sehr eng mit dem Holocaust der Krakauer Juden verbunden. Sie wurden dort im 1941 eingerichteten Ghetto eingesperrt, welches zwei Jahre später liquidiert wurde. Der Weg der Gruppe führte am „Plac Bohaterov Getta“ zu deutsch „Platz der Helden des Ghettos“ vorbei. Am diesem Ort  – zuvor Platz der Einheit – erinnern heute 70 überdimensionierte Stühle aus Metall in Form eines 2005 errichteten Mahnmals an die ehemaligen Bewohner. Hier wurden alle Appelle und Selektionen durchgeführt, von dort aus wurden die Juden zur Deportation in die Konzentrationslager zusammengetrieben. Die Teilnehmer schauten sich ebenfalls die Apotheke Pod Orłem (Unter dem Adler) an, die unmittelbar auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes liegt. Ihr Eigentümer, Tadeusz Pankiewicz, war der einzige nichtjüdische Einwohner des Ghettos und konnte das Bestehen seiner Apotheke unter anderem durch Schmiergeld sichern, um einige Juden vor der Deportation zu retten.

Nach dem Besuch der Apotheke suchten die Reiseteilnehmer nach den Fragmenten der Ghettomauer, ehe sie sich auf den Weg zur ehemaligen Fabrik von Oskar Schindler machten.

Oskar Schindler bewahrte während des Zweiten Weltkrieges gemeinsam mit seiner Frau etwa 1200 bei ihm angestellte jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung in den Vernichtungslagern. Im Verwaltungsgebäude der ehemaligen Emaillegefäßfabrik befindet sich heute eine Abteilung des Historischen Museums der Stadt Krakau, in der die Geschichte Krakaus in den Jahren 1939 bis 1945 beleuchtet wird. Die Kriegsgeschichte der Fabrik und ihres Besitzers sowie die Geschichte der von ihm geretteten Menschen sind vor allem durch Steven Spielbergs Spielfilm „Schindlers Liste“ bekannt geworden.

Vierter Tag

Der vierte und somit letzte Tag der Reise stand im Zentrum des „königlichen Krakaus“, an dem der Reisegruppe die vielen Kulturdenkmäler Krakaus näher gebracht wurden, da auch die Kunstgeschichte zum gemeinsamen kulturellen Erbe gehört.

Der wichtigste Weg in der Altstadt wird Königsweg genannt und führt durch den ältesten, mittelalterlichen Teil der Stadt, an den Überresten der mittelalterlichen Mauern vorbei, an der Barbakane, einem an der ehemaligen Stadtmauer befestigten Wehrtor, durch das Florianstor, die Florianstrasse entlang, über den Marktplatz bis zum Wawel-Schloss.

Am Marktplatz ragt die Marienkirche empor. Passenderweise war die Gruppe um 12 Uhr mittags da, sodass sie dem Trompeter und dem berühmten „Hejnal-Signal“ lauschen konnten. Im Mittelalter zur Morgen- und Abenddämmerung gespielt um die Öffnung und Schließung der Stadttore anzukündigen, wird es seit 1810 wieder zu jeder Stunde in die vier Himmelsrichtungen aufgeführt und seit 1927 sogar zur Mittagszeit im Radio übertragen. Nach einer Legende brach das Signal ab, da beim Tatarenangriff von 1241 der Trompeter von einem Pfeil getroffen worden sei. Ihm zu Ehren wird nun das Hejnal immer nur bis zu dem Ton gespielt, den der Trompetenspieler als letzten vor seinem Tode noch gespielt habe.

Im Inneren der Marienkirche befindet sich der berühmte und zugleich größte gotische Schnitzaltar in Europa von Veit Stoß, der das Leben der Heiligen Maria darstellt. Dieses beeindruckende Meisterwerk der Hochgotik haben sich die Schüler und Lehrer zusammen mit der Kulturreferentin angeschaut und analysiert.

Nach dem Besuch der Marienkirche betrachtete die Gruppe die Tuchhallen, die zugleich das Zentrum des Hauptmarktes bilden. Sie sind eines der bedeutendsten Beispiele der Renaissancearchitektur Mitteleuropas. Die überdeckten Gebäude dienten dem Handel mit Tüchern, wonach die Hallen ihren Namen erhielten. Im Jahr 1555 fiel der gotische Bau Flammen zum Opfer und wurde wenige Jahre später im Renaissancestil wieder aufgebaut. In den Jahren 1875–1878 wurden die Tuchhallen gründlich umgebaut. Im Obergeschoss entstanden Ausstellungsräume, die den ersten Sitz des Krakauer Nationalmuseums bildeten. Seit dem 20. Jahrhundert beherbergen sie die Galerie der polnischen Malerei des 19. Jahrhunderts und bieten außerdem den Besuchern Krakaus die Möglichkeit, das eine oder andere Souvenir zu erstehen.

In Krakau entstand 1364 eine der ersten europäischen Universitäten, an der berühmte Persönlichkeiten wie Nikolaus Kopernikus studiert haben. Das Collegium Maius mit seinem gotischen Arkadenhof ist der älteste erhaltene Teil und beherbergt neben der prachtvollen Aula auch ein Universitätsmuseum, das ebenfalls bei einer deutschsprachigen Führung besichtigt wurde. Im Kopernikuszimmer – der berühmte Astronom studierte 1491 bis 1495 in Krakau – werden astronomische Instrumente aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufbewahrt. In der Schatzkammer sind zwei Zepter aus dem 15. Jahrhundert, eine Kette und Ringe als Insignien des Rektors sowie der sogenannte Jagiellonen-Globus zu sehen, auf dem das gerade erst entdeckte Amerika verzeichnet ist.

Auf dem Weg zum Wawel-Hügel führte der Spaziergang an der Peter-und-Paulskirche vorbei, an der sich die Gruppe die Zeit nahm, die bemerkenswerte Barockfassade zu bewundern, ehe sie sich dem Wawel-Schloss näherten. Auf dem Innenhof des Wawel-Schlosses angelangt, endete der Weg durch das „königliche Krakau“. Im Anschluss an den Spaziergang betrachtete die Gruppe den beeindruckenden Renassance-Innenhof, erlebte einen Rundgang durch das Innere des Wawel-Schlosses und besichtigte als weiteren Höhepunkt die Wawel-Kathedrale, die als polnisches Nationalheiligtum gilt. Unter anderem diente sie als Ort der Krönung und Eheschließungen der polnischen Monarchen und ist zugleich Grabstätte der meisten Könige Polens und deren Familien sowie der Bischöfe und Erzbischöfe Krakaus, einiger nationaler Helden und berühmtester Künstler Polens.

Als eine der bedeutendsten Städte der historischen Region Galizien, aufgrund der dort vorfindbaren Dichte an kultureller Vielfalt – die sich insbesondere durch die Vielzahl an Kunst- und Architekturdenkmälern aller Epochen auszeichnet sowie als geschichtsträchtiger Ort hat Krakau vielschichtige Anknüpfungspunkte für eine Studienreise mit der Multiplikatoren- und Erlebnisgeneration geboten. 

Die Teilnehmer haben an den Tagen der Studienreise nicht nur durch das bloße Anschauen von Objekten oder von Gebäuden die Stadt Krakau und ihre Geschichte erkundet, sondern vielmehr durch dialogische Gespräche und Diskussionen und einer individuellen Dokumentation in Form von vor Ort entstandenem Text- und Fotomaterial aus ihrer eigenen, persönlichen Perspektive betrachtet.

Die in Krakau aufgenommenen Fotografien sollen zusammen mit den im Juli in Thorn und Marienburg entstandenen Bildern in Form einer Ausstellung im Westpreußischen Landesmuseum, im Gymnasium Laurentianum und im Mariengymnasium präsentiert werden.

(Fotos: Magdalena Oxfort M.A.)