Zuchterfolg nach 44 Jahren: Erstmals Nashorn-Nachwuchs im Zoo Osnabrück

Noch keine zwei Wochen alt ist das Nashornkalb im Zoo Osnabrück und tapst schon neugierig durch den Stall. Für den Zoo Osnabrück ist dies ein großer Erfolg: das Jungtier ist der erste lebende Nachwuchs in 44 Jahren Nashornhaltung am Schölerberg.

Rund 50 Kilogramm schwer, mit großen Füßen und Ohren, dafür noch ohne Horn – ein junges Kalb tapst durch den Nashornstall im Zoo Osnabrück. „Das ist schon eine kleine Sensation hier am Schölerberg“, freut sich Dr. E.h. Fritz Brickwedde, Präsident der Zoogesellschaft Osnabrück e.V. „1979 kamen die ersten Nashörner in den Zoo Osnabrück – seitdem hoffen wir auf Nachwuchs. Umso mehr freut es mich, dass die Bemühungen des Teams um Tobias Klumpe nun Früchte tragen und wir erstmals ein lebendes Nashorn-Jungtier hier im Zoo Osnabrück haben.“

Nach einer Tragzeit von 525 Tagen kam am Sonntag, 19. Februar um 7:21 Uhr ein Jungtier zur Welt. „Wir waren alle in den letzten Wochen aufgeregt und ich habe regelmäßig über die Überwachungskameras geschaut, ob bei Nashornkuh Amalie Anzeichen der Geburt zu sehen sind“, berichtet Tobias Klumpe, Zoologische Leitung. Und tatsächlich hatte der Biologe Glück: „Bei einem routinemäßigen Blick auf die Kamerabilder sah ich einen Teil der Fruchtblase – innerhalb von drei Minuten war das Kalb dann auf der Welt.“ Klumpe, Revierleiter Franz Schelshorn und Zootierarzt Thomas Scheibe machten sich auf den Weg, um Amalie und ihrem Kalb einen Besuch abzustatten. Der Gesundheitszustand von Kuh und Kalb war augenscheinlich gut. Um beiden Ruhe zu gönnen und eine feste Mutter-Kind-Bindung zu fördern, beobachteten die drei vorerst nur aus der Distanz.

Munteres Kalb erkundet Stall

Direkten Kontakt zum Kalb hat Revierleiter Franz Schelshorn, der seit 20 Jahren für die Breitmaulnashörner zuständig ist, nicht – dafür beobachtet er es umso mehr. „In den ersten Tagen konnten wir schon erkennen, welches Geschlecht das Kalb hat: Es ist ein Weibchen, das wir auf den Namen ‚Lisbeth‘ getauft haben.“ Mit zarten 40 Kilogramm kam Lisbeth zur Welt und legt täglich an Gewicht zu. „Nashornkälber nehmen laut Literatur rund ein Kilogramm am Tag zu. Das passt bei Lisbeth auf jeden Fall“, so der erfahrene Tierpfleger. „Wenn sie nicht bei Amalie trinkt, flitzt sie neugierig mit wackelndem Schwänzchen durch die Innenanlage“, berichtet er weiter. Noch hat Lisbeth verhältnismäßig große Füße und Ohren – der Hörsinn beispielsweise ist bei Breitmaulnashörnern besser ausgebildet als der Sehsinn. Das Horn hingegen ist nur im Ansatz vorhanden, da es hinderlich für die Geburt wäre. Allerdings wächst es rund einen Zentimeter im Monat. „Man kann Lisbeth praktisch beim Wachsen zuschauen. Mit 5 bis 6 Jahren wird sie erwachsen sein“, so Schelshorn. Bis dahin müsse sie aber noch viel lernen und Erfahrungen sammeln. „Wenn es konstant wärmer ist, wollen wir sie auch gemeinsam mit Mutter Amalie auf die Außenanlage lassen, damit sie diese erkunden kann. Auch erlebt sie so neue Reize, was natürlich spannend und wichtig für die Entwicklung ist.“ Nach und nach soll Lisbeth dann Kuh Lia und Bulle Miguel kennenlernen.

Sinkende Bestände in der Wildbahn

Über Jahre hinweg stand Tobias Klumpe, Zoologische Leitung, im Austausch mit anderen Zoos und Experten. Gemeinsam mit seinen Kollegen bemühte er sich in verschiedenste Richtungen, die Haltungsbedingungen so zu optimieren und anzupassen, dass eine Zucht gelingt. Wie wichtig die Nachzucht ist, erklärt der Biologe: „Trotz der vielen Schutzbemühungen im südlichen Afrika ist der Bestand der Dickhäuter in beachtlichem Maße eingebrochen – in den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der Breitmaulnashörner um ein Viertel reduziert. Daher ist es elementar, im Rahmen des ‚One Plan Approach‘ sowohl den Lebensraum zu schützen als auch eine Reservepopulation aufzubauen.“ Der „One Plan Approach“ sieht vor, dass „In situ“, also im natürlichen Lebensraum der Tiere gehandelt wird und Lebensraum und Tiere vor Ort geschützt werden. Gleichzeitig verfolgt dieser Ansatz „Ex-situ“-Maßnahmen wie zum Beispiel den Aufbau einer gesunden Reservepopulation in wissenschaftlich geführten Zoos. „Wir freuen uns wirklich sehr darüber, im Rahmen des EAZA Ex-situ Programms nun erfolgreich gezüchtet zu haben. Es ist toll, dass das Jungtier nach einer erfolgreichen Tragzeit auch wohlauf ist. Man darf nicht vergessen, dass das nicht selbstverständlich ist“, erklärt Klumpe. „Diese Erfahrung mussten wir in der Vergangenheit schmerzlich machen, als Amalie 2021 ihr erstes Kalb tot zur Welt brachte.“

Derzeit halten sich Mutter Amalie und Jungtier Lisbeth aufgrund der kühlen Temperaturen noch im Nashornstall auf. Besucher können sie dort durch die Scheiben beobachten.

Fotoquelle: Zoo Osnabrück (Denise Matthey)