„Nie wieder ist jetzt.“ – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Bundesjustizministerin a.D.) und Gedenkstättenleiter Prof. Dr. Jens-Christian Wagner diskutierten am Paul-Spiegel-Berufskolleg
Ein Austausch über demokratie-gefährdende rechtsextremistische Entwicklungen in unserer Gesellschaft und das Für und Wider eines Verbotes der Partei AfD war der Auftakt einer Veranstaltungsreihe am Paul-Spiegel-Berufskolleg Warendorf. Sie trägt den Titel „Nie wieder ist jetzt“. Sich zu befassen mit den Werten Demokratie, Vielfalt, Meinungsfreiheit und Toleranz sei der Anspruch der Reihe, an einem Berufskolleg, dass bunt und vielfältig sei und dies auch bleiben wolle, so die stellvertretende Schulleiterin Inka Schweers. Konzipiert und organisiert wurde das Angebot, das sich an die gesamte Schülerschaft richtet, von den Lehrkräften Roland Niehues und Kristin Antemann.
In seiner Anmoderation hob Roland Niehues hervor, dass der Fokus der Veranstaltungen auf der Gegenwart liege. Erkenntnisse aus der Vergangenheit könnten Schülerinnen und Schülern jedoch dabei helfen, Bezüge zu aktuellen Krisen und Herausforderungen herzustellen und eigene Standpunkte zu entwickeln. „Am Paul-Spiegel-Berufskolleg wollen wir die Kultur pflegen, sich aus der eigenen Meinungs-Bubble herauszubewegen, um zu vermeiden, dass wir in Parallelgesellschaften aneinander vorbeigehen“, so Niehues.
Die etwa 150 anwesenden Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Bildungsgängen verfolgten konzentriert den Diskurs der beiden geladenen prominenten Gäste. Persönlich angereist war Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemalige Bundesjustizministerin und seit 2019 ehrenamtliche Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW. Per Video zugeschaltet nahm Prof. Dr. Jens-Christian Wagner teil. Er ist Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen sowie Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Beide betonten die Wichtigkeit, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu schützen. Unterschiedliche Standpunkte traten bei der Frage eines möglichen Verbotes der Partei AfD hervor. Frau Leutheusser-Schnarrenberger wies darauf hin, dass die Landesverbände der AfD vom Verfassungsschutz zwar in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als „gesichert rechtsextremistisch“, bundesweit die AfD aber bisher als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft werde. Die Programminhalte der Partei seien diskriminierend, dies allein reiche aber noch nicht für ein Verbot. Sie gab außerdem zu bedenken, dass ein Verbotsantrag, der falls er nicht erfolgreich sein würde, die AfD nur weiter stärke. Prof. Dr. Wagner betonte, dass er als Anhänger des Rechtsstaates ein Parteien-Verbot auch nur als letzte Maßnahme sehe. Er verlangte aber eindringlich, dass die Bundesregierung die Aussicht auf den Erfolg eines Partei-Verbots unbedingt ernsthaft prüfen und dann gegebenenfalls einen Verbotsantrag stellen müsse. Sein Plädoyer: „Wir müssen die gesetzlichen Regelungen nutzen, um die AfD daran zu hindern, sich weiter durchzusetzen.“
Den anschließenden Austausch mit den Schülerinnen und Schülern nutzte Frau Leutheusser-Schnarrenberger für leidenschaftliche und mahnende Aufrufe. Diese richteten sich einerseits an die Parlamentarier dieses Landes, sich viel ernsthafter und mutiger als bisher der Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Positionen zu stellen und deren Strategien zu enttarnen. „Man muss auch viel stärker versuchen, die Menschen, die unzufrieden sind und zu rechtsextremem Denken neigen, zu erreichen. Wir brauchen mehr Prävention“, forderte sie. Und aus der Schülerschaft nach ganz konkreten Vorschlägen gefragt, was man tun könne gegen eine Ausbreitung von Rechtsextremismus, antwortete Frau Leutheusser-Schnarrenberger: „Ihr kennt euch aus mit sozialen Medien. Bildet dort Gruppen, die sich aussprechen gegen Rechtsextremismus. Geht auf die Straße, werdet sichtbar. Schafft Begegnungen mit Fremdem, um Vorurteile abzubauen. Veranstaltet Konzerte für eine positive Stimmung.“
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Prof. Dr. Jens-Christian Wagner tauschten ihre Wahrnehmungen und Einschätzungen zu aktuellen anti-demokratischen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland aus
Foto: PSBK