Kurz vor dem Zeugnistag besuchte ein Leistungskurs Deutsch des Mariengymnasiums das Westpreußische Landesmuseum. Dabei interessierte es den Kurs besonders, zu erfahren, welche Parallelen heutige Flüchtlingsgeschichten in den Biografien derjenigen finden, die ab 1945 ihre Zuflucht in der Stadt Warendorf gesucht haben.
Am Anfang stand die Auseinandersetzung mit den Begriffen Flucht, Vertreibung, Migration und Heimat. „Vertreibung geschieht unter Zwang“, eröffnete Schülerin Naima Steppler die Runde, „sie wird angeordnet. Eine Flucht dagegen kann vorsorglich ergriffen werden, zum Beispiel, um sich vor Naturkatastrophen in Sicherheit zu bringen“. Museumspädagogin Katharina Kaup, die eine kleine Tasche in den Stuhlkreis stellte, bat die Jugendlichen darüber nachzudenken, womit ihre Rucksäcke gefüllt wären, wenn eine Flucht unmittelbar bevorstünde. Welche Wäsche sollte mitgenommen werden, welche Wertgegenstände? Wäre es erlaubt, ein Messer mitzunehmen, um sich notfalls verteidigen zu können?
Der anschließende Rundgang führte durch die Dauerausstellung des Museums, die die vielfältigen Facetten der Migration aus und nach Westpreußen beleuchtete. Die Jugendlichen sahen Karten, die die Vertreibung der Prußen durch Ritter des Deutschen Orden und die Christianierung der prußischen Gebiete dokumentierten. Anschauliche Modelle zeigten den Schülerinnen und Schülern, wo und wie die baltischen Urvölker, die Prußen, gesiedelt hatten. „Die Debatte zur Migration ist aktuell, aber sie ist nicht neu!“, bemerkte Katharina Kaup. „Die Vertreibung und Unterwerfung der Prußen durch den Deutschen Orden im 13. Jahrhundert ist ein frühes Beispiel dafür.“
Ein anderer Raum des Museums erzählte die Geschichte der Kaschuben, die, von Pommern kommend, in der Region um Danzig und südlicher in Westpreußen siedelten und viele ihrer Traditionen beibehielten. Die Schüler des Mariengymnasiums wiederum erzählten, stehend und sitzend zwischen den Exponaten, was sie anhand des Kriegsromans „Unter der Drachenwand“, der NRW-Abiturlektüre, über Flucht, Vertreibung und Deportation im Zweiten Weltkrieg wussten.
Auch Warendorf nahm, ab 1945, vor allem aus Schlesien Flüchtende auf. Welche Auswirkungen der Verlust der Heimat auf diejenigen gehabt hat, die auf unterschiedliche Art und Weise von Flucht und Vertreibung betroffen worden sind, machte der ergreifende Tagebucheintrag einer jungen Frau aus Warendorf deutlich.
Von Gerold Paul